Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
der Sache ein Ende gemacht hat, gehen wir auf jeden Fall zum Arzt. Wer weiß - vielleicht brauchen wir auch nur ein paar Stunden Schlaf.«
»Ich nehme auch noch eine Aspirin«, sagte Terese. Nachdem die beiden ihre Tabletten genommen hatten, gingen sie zurück ins Wohnzimmer. Terese legte sich sofort wieder hin, Richard stapelte noch ein paar Holzscheite auf das schwächer werdende Feuer und zog sich dann auf das andere Sofa zurück. Beide wirkten vollkommen erschöpft.
Jack hatte keinen Zweifel mehr, daß Richard und Terese sich mit dem tödlichen Virus angesteckt hatten. Allerdings war er völlig ratlos, welches Verhalten seine Moral in dieser Situation gebot. Immerhin hatte er Rimantadin bei sich und wußte, daß das Medikament die gefährliche Grippe zum Stillstand bringen konnte. Verzweifelt rang er mit sich. Sollte er ihnen ein paar von seinen Tabletten anbieten und ihnen dadurch möglicherweise das Leben retten - obwohl sie ihm einen Killer auf den Hals hetzten und darüber hinaus für den Tod unzähliger Patienten verantwortlich waren? Mußte seine ärztliche Fürsorgepflicht nicht stärker wiegen als seine Wut über das abartige Verbrechen, das die beiden begangen hatten?
Die Aussicht, daß seinen Peinigern unter Umständen ausgleichende Gerechtigkeit widerfuhr, vermochte ihn kaum zu trösten. Und wenn er ihnen doch von seinem Rimantadin anböte? Lief er dann nicht Gefahr, daß sie ihm auch seine Ration wegnahmen? Immerhin hatten sie sich nicht gerade wählerisch gezeigt, als es darum ging, auf welche Weise sie ihn ins Jenseits befördern wollten. Ihnen kam es einzig und allein darauf an, daß sie sich nicht selbst die Hände schmutzig machen mußten. Jack seufzte. Auch wenn er nichts unternahm, traf er eine Wahl, und die Konsequenzen waren ihm sehr wohl bewußt. Gegen neun begannen Terese und Richard laut zu röcheln; außerdem mußten sie immer öfter und immer heftiger husten. Terese schien es noch schlechter zu gehen als Richard. Gegen zehn hatte sie einen derart starken Hustenanfall, daß sie aufwachte und nach Richard wimmerte. »Was ist denn los?« fragte er apathisch.
»Mir geht es so schlecht«, jammerte sie. »Ich brauche einen Schluck Wasser und mehr Aspirin.«
Richard stand auf und taumelte benommen in die Küche. Auf dem Weg zur Spüle versetzte er Jack einen halbherzigen Tritt und blaffte ihn an, er sollte gefälligst aus dem Weg gehen. Jack drückte sich so weit in die Ecke, wie seine Handschellen es erlaubten. Richard füllte ein Glas mit Wasser und wankte zurück ins Wohnzimmer. Terese richtete sich auf, um noch ein Aspirin zu schlucken. Richard half ihr, indem er ihr das Glas hielt. Als sie genug nachgespült hatte, drückte sie das Glas weg und wischte sich über den Mund. Ihre Bewegungen waren fahrig und unkoordiniert. »Sollen wir nicht vielleicht lieber doch noch heute abend nach New York zurückfahren? Ich fühle mich so elend.«
»Wir müssen bis morgen früh warten«, erwiderte Richard. »Sobald Twin den verfluchten Mistkerl erledigt hat, hauen wir ab. Außerdem bin ich viel zu müde, um jetzt noch stundenlang Auto zu fahren.«
»Du hast recht.« Terese ließ sich zurück in die Kissen sinken. »Im Augenblick fühle ich mich so schwach, daß ich die Fahrt wahrscheinlich nicht überstehen würde. Dieser Husten macht mich wahnsinnig. Zeitweise bekomme ich überhaupt keine Luft mehr.«
»Am besten versuchst du zu schlafen«, empfahl Richard. »Ich lasse das Wasser hier stehen.« Er stellte das Glas auf den Beistelltisch.
»Danke«, murmelte Terese.
Richard schleppte sich zurück zu seinem Sofa. Er zog sich die Decke bis unter das Kinn und seufzte laut. Gegen halb elf registrierte Jack, daß Terese sehr schwer atmete. Sogar auf die Entfernung konnte er erkennen, daß ihre Lippen sich dunkel verfärbt hatten. Er wunderte sich, daß sie nicht aufwachte. Wahrscheinlich hatte das Aspirin ihr Fieber gesenkt. Trotz aller inneren Zerrissenheit fühlte er sich jetzt verpflichtet einzuschreiten. Er rief Richard und empfahl ihm, sofort nach Terese zu sehen.
»Ruhe!« schrie Richard zwischen zwei Hustenanfällen. Eine Weile blieb Jack still. Nach einer halben Stunde hörte er bei jedem Atemzug von Terese ein feines, knisterndes Rasseln. Wenn er sich nicht täuschte, würden jeden Moment ihre Lungen versagen.
»Richard!« rief er. »Terese geht es sehr schlecht. Kümmern Sie sich um sie!«
Richard gab keine Antwort. »Richard!«
»Was ist denn?« brachte Richard schwerfällig heraus.
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