Fuer eine Nacht und fuer immer
1. KAPITEL
Nic Russo war stets für alle Eventualitäten gerüstet. Die Aschewolke, die infolge eines Vulkanausbruchs in Chile über den Süden Australiens hinwegzog, hatte den Flugverkehr zum Erliegen gebracht. Es war nicht damit zu rechnen, dass die ausgehenden Flüge vom Melbourner Flughafen Tullamarine in den nächsten Stunden Starterlaubnis bekämen.
Doch Nic hatte nicht vor, sich wie die anderen Fluggäste verrückt machen zu lassen. Während er am Check-in-Schalter für die Business Class Schlange stand, wählte er die Nummer des Flughafenhotels und lächelte, als er am anderen Ende Kerrys Stimme hörte.
„Hey, Kerry. Ich bin’s, Nic.“
„Hi Nic.“
„Wie sieht es bei euch aus?“
„Hektisch.“
„Das kann ich mir vorstellen. Ich denke, dass ich meine Reservierung in Anspruch nehmen muss.“
„Da bist du nicht der Einzige. Wir haben eine kilometerlange Warteliste.“
„Aber im Gegensatz zu mir kennen die anderen die Dame am Empfang nicht.“
„Na gut.“ Er hörte sie tippen. „Also … für eine Person?“
„Kommt drauf an …“, sagte er und fügte hinzu: „Um wie viel Uhr hast du denn Feierabend?“
„Nic, du bist unverbesserlich.“
„Das sagst du immer.“ Er wusste, dass Kerry und ihr Freund Steve heute Abend noch gemeinsam über seinen Scherz lachen würden. „Falls das Flugverbot noch andauert, wenn du fertig bist, komm doch auf einen Drink als Dankeschön vorbei.“
Während er noch sprach, wurde er auf eine schlanke Brünette aufmerksam, die vor ihm in der Schlange stand. Heute früh hatte sie im selben Flieger von Adelaide nach Melbourne gesessen wie er. Ihr Parfum war ihm aufgefallen – es hatte etwas Französisches, Teures gehabt, war aber gleichzeitig dezent, leicht und frisch gewesen. Auch jetzt roch er es.
War es nur ihr Parfum, was sein Interesse weckte? Adrett und konservativ war eigentlich nicht sein Fall, aber sie … sie hatte etwas. Etwas Ewiges.
Die Vorstellung reizte ihn einen Moment lang. Aber eben nur einen Moment lang, denn Nic hatte mit derlei nostalgischem Unsinn nichts am Hut, wenn es um Frauen ging. Er ließ sich grundsätzlich weder auf Gefühle noch auf etwas Festeres ein.
Komischerweise ließ sie ihn an beides denken. Er stellte sich vor, wie er hinter ihr am Ufer eines Sees stand und zusah, wie die Sterne aufgingen. Wie er sachte ihre Perlenkette und eine Strähne ihres glänzendes Haares, die sich aus dem Knoten gelöst hatte, beiseiteschob, um ihren schlanken Hals zu küssen …
„Ich hoffe, dass ich dich noch erwische“, hörte er Kerry sagen. „Aber bei den momentan herrschenden Zuständen kann ich noch nicht sagen, wann ich hier rauskomme.“
„Keine Sorge. Du hast viel zu tun – ich will dich nicht länger aufhalten. Vielleicht bis später. Ciao.“
Den Blick noch immer auf den Nacken der Frau gerichtet, beendete er das Telefonat. Er schüttelte die sonderbaren Gefühle ab, die sie in ihm ausgelöst hatte, und betrachtete sie von einem rein objektiven Gesichtspunkt aus.
Wer trug heutzutage noch Perlen, wenn er nicht zur Teegesellschaft einer königlichen Familie eingeladen war?
Er ließ seinen Blick von ihren Schultern, die von einem unauffälligen Jackett bedeckt wurden, zu ihrem knielangen, zum Jackett passenden Rock hinunterwandern, unter dem sich ein wohlgeformter, verlockender Po wölbte. Nick spürte seine Hände warm werden – und nicht nur die. Wenn er diese Frau anschließend mit zu sich nehmen könnte, wollte er gern einer Teegesellschaft beiwohnen.
Teegesellschaft? Perlen? Um Himmels willen, wenn ihn so etwas anmachte, dann hatte er wohl sein Liebesleben arg vernachlässigt. Die letzten Monate waren tatsächlich etwas enthaltsam gewesen.
Sie hatte eine Reihe weiter hinten neben ihm am Gang gesessen und über Kopfhörer Musik gehört, und jedes Mal, wenn er zu ihr hingesehen hatte, waren ihre Augen fest geschlossen gewesen. Ihre Hände hatten reglos auf ihren Oberschenkeln gelegen. An der Linken trug sie keinen Ring, aber an der Rechten einen dicken Klunker. Ob sie unter demselben Problem litt wie er? Jedes Mal, wenn er in einer dieser fliegenden Konservenbüchsen eingeschlossen war, packte ihn die Klaustrophobie.
Was auch immer der Grund für ihre Anspannung gewesen sein mochte, so hatte diese Frau doch eine willkommene Ablenkung dargestellt. Ihr offenkundiges Desinteresse hatte es ihm erlaubt, sie immer wieder anzusehen und sich zu fragen, ob diese pfirsichfarben glänzenden Lippen so lecker schmeckten, wie
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