Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
»Es sieht so aus, als würde dein Double in irgendwelchen Höhlen verschwinden und wieder herauskommen.«
»Wenn wir auf die Insel gelangen, sollten wir auf jeden Fall auch nach unseren eigenen Doubles sehen«, schlug Kevin vor. »Sie sind am längsten auf der Insel, und wenn sich überhaupt irgendwelche der transgenen Bonobos wie Frühmenschen verhalten, dann müßten es diese beiden sein.« Melanie nickte. »Wenn ich mir vorstelle, meinem eigenen Double gegenüberzustehen, läuft es mir kalt den Rücken herunter. Allerdings dürften wir auf der Insel nicht über allzuviel Zeit verfügen. Immerhin ist sie fast dreißig Quadratkilometer groß, und da dürfte es wohl extrem schwierig werden, irgendein bestimmtes Tier ausfindig zu machen.«
»Falsch«, entgegnete Kevin. »Ich habe Handgeräte, mit denen die Arbeiter die Bonobos orten, wenn sie sie für eine Rückholaktion einfangen wollen.« Er stand auf und ging an seinen Schreibtisch. Als er zurückkam, hielt er die Instrumente in der Hand, die Bertram ihm gegeben hatte. Er zeigte Melanie das Ortungsgerät und den Positionsbestimmer und erklärte ihr, wie die Geräte funktionierten. Melanie war beeindruckt.
»Wo Candace nur bleibt?« fragte Melanie und warf einen Blick auf die Uhr. »Ich hatte eigentlich gedacht, daß wir den Besuch auf der Insel möglichst während der Mittagszeit hinter uns bringen.«
»Hat Siegfried heute morgen mit dir gesprochen?« wollte Kevin wissen.
»Nein«, erwiderte Melanie. »Aber Bertram war ziemlich fies und hat mir erzählt, er sei von mir enttäuscht. Kannst du dir das vorstellen? Ob er sich wohl einbildet, mich dadurch von irgend etwas abbringen zu können?«
»Hat er dir zufällig auch eine Erklärung für die Rauchwolken gegeben, die ich gesehen habe?« fragte Kevin. »O ja, das hat er«, erwiderte Melanie. »Er hat mir lang und breit erzählt, daß er gerade erst von Siegfried erfahren habe, daß dieser einen Trupp Arbeiter auf die Insel geschickt habe, die dort eine Brücke bauen sollten und dabei angeblich altes Gestrüpp verbrannt haben. Angeblich ist das alles ohne sein Wissen geschehen.«
»Das habe ich mir gedacht«, sagte Kevin. »Ich habe heute morgen um kurz nach neun einen Anruf von Siegfried bekommen. Er hat mir haargenau dieselbe Geschichte erzählt.
Außerdem hat er mir erzählt, daß er gerade mit Dr. Lyons gesprochen habe und daß Dr. Lyons ebenfalls zutiefst enttäuscht von uns sei.«
»Da kommen einem ja glatt die Tränen«, entgegnete Melanie. »Ich glaube, sie haben die Geschichte mit den Arbeitern nur erfunden«, sagte Kevin.
»Natürlich«, stellte Melanie klar. »Das ist alles erstunken und erlogen. Schließlich legt Bertram immer größten Wert darauf, über alles Bescheid zu wissen, was auf Isla Francesca vor sich geht. Da fragt man sich doch, für wie doof die uns eigentlich halten.«
Kevin stand auf und fixierte nervös durch das Laborfenster die in der Ferne erkennbare Insel.
»Was ist denn jetzt schon wieder los?« wollte Melanie wissen. »Siegfried«, erwiderte Kevin und sah Melanie an. »Immerhin hat er uns damit gedroht, uns nach äquatorialguinesischem Recht zu bestrafen. Weshalb hat er uns wohl sonst daran erinnert, daß das Betreten der Insel als Kapitalverbrechen geahndet werden kann? Glaubst du nicht auch, daß wir diese Drohung äußerst ernst nehmen sollten?«
»Um Himmels willen, nein!« rief Melanie. »Wieso bist du dir da so sicher?« wollte Kevin wissen. »Siegfried ist mir absolut unheimlich.«
»Wenn ich Äquatorialguinesin wäre, hätte ich wahrscheinlich ganz schön Manschetten vor ihm«, erklärte Melanie. »Aber wir sind nun einmal Amerikaner, und auch wenn wir hier in der Zone arbeiten, gilt für uns das gute alte, amerikanische Recht. Das schlimmste, was uns passieren kann, ist, daß sie uns rausschmeißen. Und wie ich ja bereits gestern abend sagte - damit könnte ich ganz gut leben. Manhattan übt dieser Tage einen immer größeren Reiz auf mich aus.«
»Ich wünschte, ich wäre so zuversichtlich wie du«, sagte Kevin. »Hat sich eigentlich heute morgen bei deiner Rumspielerei am Computer wieder bestätigt, daß die Bonobos sich in zwei Gruppen gespalten haben?«
Kevin nickte. »Es gibt eine größere und eine kleinere Gruppe. Die größere hält sich immer in der Umgebung der Höhlen auf. In dieser Gruppe sind vor allem ältere Bonobos, unter anderem auch unsere beiden Doubles. Die andere Gruppe lebt in einem Waldgebiet nördlich des Rio Diviso. Es sind vor
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