Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
hinter sich. Nachdem sie sich über eine Stunde lang im Kühlraum der pathologischen Abteilung versteckt hatten, hatte Melanie Candace und Kevin schließlich dazu überreden können, unbemerkt in den Bereitschaftsraum der Tiersektion zu schleichen. Dort hatten sie bis zum Arbeitsbeginn der Vormittagsschicht ausgeharrt und so gut wie gar nicht geschlafen. Am frühen Morgen hatten sie sich dann problemlos unter die kommenden und gehenden Mitarbeiter gemischt und waren ohne weitere Zwischenfälle zurück nach Cogo gefahren.
»Hast du eine Ahnung, wie man sie erreichen kann?« fragte Melanie. »Wahrscheinlich muß man nur im Krankenhaus anrufen und sie anpiepen lassen«, schlug Kevin vor. »Oder sie ist in ihrem Zimmer im Inn, was ich mir durchaus vorstellen kann, da es Horace Winchester ja schon wieder recht gut geht.« Der »Inn« war die gängige Bezeichnung für den Gebäudeteil, in dem das Krankenhauspersonal untergebracht wurde, das sich nur vorübergehend in der Zone aufhielt. Dieser Gebäudetrakt war in den großen Krankenhaus- und Laborkomplex integriert.
»Eine gute Idee«, sagte Melanie und griff zum Telefon, um sich von dem Vermittler zu Candace’ Zimmer durchstellen zu lassen. Nach dem dritten Klingeln nahm Candace den Hörer ab. Offenbar hatte das Telefon sie aus dem Schlaf geschreckt. »Kevin und ich fahren zur Insel rüber«, meldete sich Melanie ohne jede weitere Einleitung. »Willst du mitkommen, oder bleibst du lieber hier?«
»Was soll das?« fuhr Kevin nervös dazwischen. »Wovon redest du überhaupt?«
Melanie gab ihm durch ein Zeichen zu verstehen, daß er den Mund halten solle. »Wann?« wollte Candace wissen.
»Sobald du hier bist«, erwiderte Melanie. »Wir sind in Kevins Labor.«
»Ich bin in einer guten halben Stunde da«, sagte Candace. »Ich muß nur noch schnell duschen.«
»Okay, dann bis gleich«, entgegnete Melanie und legte auf.
»Bist du wahnsinnig?« fragte Kevin. »Wir müssen doch erst mal ein bißchen Zeit verstreichen lassen, bevor wir einen zweiten Versuch starten.«
»Da kenne ich aber ein Mädchen, das ganz anderer Meinung ist«, entgegnete Melanie und klopfte sich auf die Brust. »Je früher wir es noch einmal versuchen, um so besser. Wenn Bertram erst herausfindet, daß einer von seinen Schlüsseln fehlt, wird er sofort das Schloß auswechseln - und dann können wir wieder ganz von vorne anfangen. Denk daran, was ich dir gestern nacht gesagt habe: Spallek und Bertram glauben, daß sie uns zu Tode erschreckt haben. Sie rechnen bestimmt nicht damit, daß wir es so schnell noch einmal versuchen könnten.«
»Ich glaube, ich bin solchen Abenteuern nicht gewachsen«, sagte Kevin.
»Ach nein?« fragte Melanie ein wenig von oben herab. »Du hast doch davon angefangen, daß mit unseren Bonobo-Kreationen möglicherweise irgend etwas schiefgelaufen sein könnte. Seitdem mache ich mir wahnsinnige Sorgen. Außerdem habe ich heute morgen schon wieder ein Indiz dafür entdeckt, daß irgend etwas ganz und gar nicht stimmt.«
»Was denn?« fragte Kevin.
»Ich bin in der Tiersektion in unserem Bonobo-Freigehege gewesen«, erwiderte sie. »Niemand hat mich reingehen sehen - du brauchst dich also gar nicht erst aufzuregen! Ich habe über eine Stunde suchen müssen, bis ich endlich eine Mutter mit einem unserer Bonobo-Babys aufgespürt habe.«
»Und?« fragte Kevin, obwohl er nicht sicher war, ob er den Rest wirklich hören wollte.
»Das Junge ist auf den Hinterbeinen herumgelaufen«, erwiderte Melanie mit bewegter Stimme. »Genauso wie du und ich. Und zwar während der ganzen Zeit, während der ich es beobachtet habe.« Ihre dunklen Augen blitzten vor Erregung. »Was wir immer für ach so niedlich gehalten haben, ist in Wirklichkeit ein Hinweis darauf, daß wir es mit Zweifüßern zu tun haben!«
Kevin nickte und wich Melanies Blick aus. Er konnte es nur schwer ertragen, daß sie all seine eigenen Ängste so deutlich und drastisch auf den Punkt brachte.
»Wir müssen unbedingt herausfinden, mit was für Kreaturen wir es eigentlich zu tun haben«, stellte Melanie klar. »Und das können wir nur, indem wir zu der Insel rüberfahren und nachsehen.« Kevin nickte.
»Ich habe uns jede Menge Sandwiches geschmiert«, fuhr Melanie fort und zeigte auf ihre Papiertüte. »Nennen wir unsere Aktion doch einfach einen kleinen Picknickausflug.«
»Ich habe heute morgen auch etwas Beunruhigendes entdeckt, das ich dir zeigen möchte«, sagte Kevin. Er zog einen Stuhl vor den Computer und
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