Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
einem Baum geparkt hatte, auch schon vorfuhr und sie einsteigen ließ.
Kevin quetschte sich nach hinten auf die Rückbank, Candace nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Als sie saßen, brauste Melanie sofort los. Bei der unerträglichen Hitze und den beinahe hundert Prozent Luftfeuchtigkeit sorgte die Klimaanlage für eine herrliche kühle Brise.
»Ist dir irgend etwas Verdächtiges aufgefallen?« fragte Kevin. »Nein«, erwiderte Melanie. »Absolut nichts. Ich bin sogar noch ein bißchen in der Gegend herumgefahren und habe so getan, als würde ich ein paar Besorgungen machen. Mir ist bestimmt keiner gefolgt, da bin ich ziemlich sicher.« Kevin sah sich um und beobachtete durch die Heckscheibe von Melanies Honda, wie das Kraftwerk in der Ferne immer kleiner wurde und nach einer Kurve schließlich ganz verschwand. Weit und breit waren weder Menschen noch Autos in Sicht. »Sieht gut aus«, sagte er schließlich und ließ sich so tief wie möglich in den Sitz sinken, um von niemandem erkannt zu werden.
Während Melanie den nördlichen Rand der Stadt umfuhr, packte Candace die Sandwiches aus.
»Nicht schlecht«, sagte sie und biß genüßlich in eine mit Thunfisch belegte Vollkornstulle.
»Ich habe sie in der Kantine der Tiersektion zubereiten lassen«, erklärte Melanie. »Die Getränke sind ganz unten in der Tasche.«
»Hast du auch Appetit?« wandte Candace sich an Kevin. »Ja«, erwiderte er und verharrte geduckt auf seiner Seite, während Candace ihm zwischen den vorderen Sitzen ein Sandwich und eine Limonade durchreichte.
Sie kamen zügig voran und hatten bald die Straße erreicht, die stadtauswärts in Richtung Osten zu dem Dorf der Einheimischen führte. Aus seinem Blickwinkel konnte Kevin nur die Wipfel der mit Lianen überzogenen Bäume erkennen, die die Straße säumten. Hin und wieder erhaschte er auch einen Streifen des dunstigen, blauen Himmels. Nach so vielen Monaten, in denen der Himmel immer wolkenverhangen gewesen war, war es eine Wohltat, endlich einmal wieder die Sonne zu sehen. »Folgt uns jemand?« fragte Kevin, nachdem sie eine Weile gefahren waren.
Melanie sah in den Rückspiegel. »Ich habe bis jetzt kein einziges Auto gesehen«, erwiderte sie. Auf der Dorfstraße waren kaum Autos unterwegs, dafür aber jede Menge Frauen, die alle zu Fuß gingen und schwere Lasten auf ihren Köpfen trugen. Nachdem sie den Parkplatz vor dem Gemischtwarenladen überquert hatten und in den Weg eingebogen waren, der zu der Brücke und nach Isla Francesca führte, richtete Kevin sich auf. Hier mußte er keine Angst mehr haben, von irgendwelchen Verfolgern aufgespürt zu werden. Trotzdem drehte er sich alle paar Minuten um und vergewisserte sich, daß die Luft rein war. Er war ein einziges Nervenbündel, doch den Frauen gegenüber wollte er sich das möglichst nicht anmerken lassen. »Jetzt müßte gleich der Baumstamm kommen, den ich gestern abend übersehen habe«, warnte Kevin seine Kollegin. »Komischerweise war der Baumstamm nicht mehr da, als die Soldaten uns zurückgebracht haben«, bemerkte Melanie. »Sie müssen ihn zur Seite geschafft haben.«
»Stimmt«, sagte Kevin. Er war beeindruckt, daß Melanie sich an solche Details erinnerte. Er hingegen konnte sich, was den vergangenen Abend betraf, fast an gar keine Einzelheiten mehr erinnern; dafür hatten die Maschinengewehrsalven gesorgt. Da er vermutete, daß sie sich allmählich ihrem Ziel näherten, rückte er in die Mitte und spähte zwischen den beiden Vordersitzen hindurch durch die Windschutzscheibe. Trotz der grellen Mittagssonne waren die Sichtverhältnisse in dem sich zu beiden Seiten des Weges erstreckenden dichten Dschungel kaum besser als am Abend zuvor. Durch die üppige Vegetation drang kaum Licht; es war, als wären sie rechts und links von Mauern umgeben.
Melanie fuhr auf die Lichtung und hielt an. Links von ihnen war die Garage, rechts begann der schmale Weg, der zum Ufer und zur Brücke hinunterführte. »Soll ich mit dem Auto bis ans Ufer fahren?« fragte Melanie.
Kevin wurde immer nervöser. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, in eine Sackgasse hineinzufahren. Wahrscheinlich, überlegte er, gab es am Ufer keine Wendemöglichkeit, so daß sie später im Rückwärtsgang zur Lichtung würden zurückfahren müssen. »Ich glaube, wir parken besser hier«, sagte er. »Aber du solltest das Auto schon jetzt in Fahrtrichtung stellen.« Eigentlich hatte er Widerworte erwartet, doch Melanie setzte kommentarlos dazu an, den Wagen zu wenden. Keiner
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