Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
wagte auszusprechen, daß sie nun zu Fuß an der Stelle vorbeigehen mußten, an der erst gestern auf sie geschossen worden war. »Geschafft!« rief Melanie, als sie ihr Wendemanöver vollendet und die Handbremse gezogen hatte. »Jetzt kann’s losgehen!« Sie war bemüht, gute Laune zu verbreiten, denn sie waren alle Nervenbündel.
»Mir ist da gerade etwas durch den Kopf gegangen, das mir ganz und gar nicht gefällt«, sagte Kevin. »Was ist denn nun schon wieder?« fragte Melanie und sah ihn durch den Rückspiegel an.
»Vielleicht sollte ich erst mal allein zur Brücke runterschleichen und mich vergewissern, ob die Luft auch rein ist«, schlug er vor.
»Wer sollte denn wohl da unten sein?« entgegnete Melanie, obwohl sie ebenfalls Angst hatte, in der Wildnis erneut auf eine unangenehme Überraschung zu stoßen. »Alphonse Kimba zum Beispiel«, erwiderte Kevin. »Oder sonst irgendwer.« Er holte tief Luft, faßte sich ein Herz und stieg aus dem Wagen. Im Gehen rückte er noch seine Hose zurecht, dann marschierte er los.
Der Weg zum Ufer war so dicht mit Pflanzen überwuchert, daß er hier noch intensiver das Gefühl hatte, einen Tunnel zu passieren. Nach ein paar Metern bog der Weg nach rechts ab. Das Dach aus Bäumen und Kletterpflanzen ließ so gut wie keine Lichtstrahlen durch. Die Pflanzen auf dem Mittelstreifen des Weges waren so hoch, daß man eigentlich gar keinen richtigen Weg, sondern nur zwei parallel nebeneinander verlaufende Spuren erkennen konnte.
Kevin nahm die erste Wegbiegung und blieb abrupt stehen. Er hörte unverwechselbare Geräusche, die ihm auf der Stelle den Magen umdrehten: Stiefelgetrappel auf feuchtem Urwaldboden und ein Klirren, als ob Metall gegen Metall stieß. Vor ihm machte der Weg eine Biegung nach links. Kevin hielt die Luft an. Im nächsten Augenblick sah er eine Gruppe äquatorialguinesischer Soldaten in Tarnuniformen um die Kurve kommen. Sie trugen alle chinesische Maschinengewehre und kamen direkt auf ihn zu.
Kevin machte auf dem Absatz kehrt und rannte so schnell er konnte zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. Als er endlich die Lichtung erreichte, schrie er Melanie zu, daß sie sofort abhauen müßten. Am Auto angelangt, riß er die Hintertür auf und warf sich hinein.
»Was ist denn los?« schrie Melanie, während sie versuchte, das Auto zu starten.
»Soldaten!« keuchte Kevin. »Ein ganzer Haufen Soldaten!« Als der Motor endlich aufheulte, hatten auch die Soldaten die Lichtung erreicht. Einer von ihnen schrie Melanie etwas zu, doch sie gab bereits Vollgas.
Der Kleinwagen machte einen Satz nach vorn, und Melanie hatte Mühe, das Lenkrad unter Kontrolle zu halten. Plötzlich krachte eine Maschinengewehrsalve los, Sekunden später zerbarst die Rückscheibe des Hondas in tausend Scherben. Kevin warf sich flach auf die Rückbank. Candace schrie, als auch ihr Fenster von Kugeln getroffen wurde.
Gleich hinter der Lichtung machte der Weg eine scharfe Linkskurve. Um ein Haar hätte Melanie die Kontrolle über den Wagen verloren. Sie drückte das Gaspedal voll durch, doch sie waren noch keine hundert Meter gefahren, da krachte eine weitere Maschinengewehrsalve durch den Urwald. Ein paar vereinzelte Kugeln jagten heulend über das Auto hinweg, während Melanie eine weitere enge Kurve bewältigte. »O Gott!« stöhnte Kevin und setzte sich auf, um sich die Glasscherben abzuschütteln.
»Jetzt reicht’s mir aber!« fluchte Melanie. »Das war ja wohl kaum ein harmloser Warnschuß! Die haben mir glatt die Heckscheibe zerschossen.«
»Ich glaube, ich reiche meine Kündigung ein«, sagte Kevin. »Die Soldaten haben mir vom ersten Tag an Angst eingejagt, jetzt weiß ich endlich warum.«
»Der Schlüssel zur Brücke wird uns also auch nicht viel weiterhelfen«, bemerkte Candace. »Schade eigentlich. Wo wir doch keine Mühe gescheut haben, um in seinen Besitz zu gelangen.«
»Es ist wirklich ärgerlich«, stimmte Melanie ihr zu. »Wir müssen uns unbedingt einen Alternativplan ausdenken.«
»Ich gehe erst mal ins Bett«, stellte Kevin klar und legte die Hand auf sein pochendes Herz; es schlug heftiger als je zuvor. Die beiden Frauen verblüfften ihn immer wieder. Sie schienen einfach keine Furcht zu kennen.
Kapitel 14
6. März 1997, 6.45 Uhr
New York City
Jack trat kräftig in die Pedalen und schaffte gerade noch die Grünphase an der Kreuzung First Avenue und 30th Street. Mit vollem Tempo schoß er die Einfahrt zur Leichenhalle hinab und bremste erst in
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