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Moon

Moon

Titel: Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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nicht bewußt, und ihre Stimmungen konnten recht schnell wechseln.
    Amy reckte ihre schlanken Finger in einer Geste der Verzweiflung dem Glas entgegen, sobald er nahe genug war, und frühabendliches Sonnenlicht traf ihre Hand und ließ sie in hellerem Gold aufleuchten.
    »Wenn Miss Piprelly wüßte, daß sie eine Trinkerin in ihrem Kollegium hat«, stichelte er gutmütig und reichte ihr den Gin Tonic.
    Sie ließ das Glas in ihren Händen zittern und brachte es an die Lippen. »Wenn Pip wüßte, daß ihr halbes Kollegium aus Alkoholikern besteht... Und daß sie der Grund ist!«
    Childes setzte sich ihr gegenüber, so daß er sie zwar nicht berühren, aber ausgiebig betrachten konnte.
    »Unsere verehrte Schulleiterin wünscht, daß ich der Schule mehr Zeit widme«, erklärte er im demonstrativ seriösen Tonfall eines Butlers, und Amys plötzliches Lächeln freute ihn.
    »Jon, das wäre wunderbar.«
    »Ich bin mir nicht so sicher. Ich meine, ja, großartig, wir könnten uns öfter sehen, aber als ich hierher gekommen bin, da wollte ich raus aus der Hetze, weißt du noch?«
    »Das ist aber was anderes. Das hier ist eine ganz andere Kultur als die, die du gewöhnt warst.«
    »Ja, ein anderer Planet. Aber ich habe mich an das gemächliche Tempo gewöhnt, an diese Nachmittage, an denen ich Spazierengehen oder tauchen oder einfach am Strand dösen kann. Weißt du, ich habe endlich Zeit zum Nachdenken gefunden.«
    »Manchmal denkst du zuviel nach.«
    Und da war er auch schon: der Stimmungswandel.
    Er wich ihrem Blick aus. »Ich habe versprochen, ihr Bescheid zu geben.«
    Der Humor kehrte in Amys Stimme zurück.
    »Feigling!«
    Childes schüttelte den Kopf. »Sie sorgt dafür, daß ich mir wie ein Zehnjähriger vorkomme.«
    »Ihr Bellen ist nicht so schlimm wie ihr Beißen. Ich würde tun, worum sie bittet.« »Du bist wirklich eine Hilfe!«
    Sie stellte ihr Glas auf den Tisch. »Ich hätte gern das Gefühl, daß ich das wirklich bin. Ich weiß, du verbringst zuviel Zeit allein, und vielleicht ist eine stärkere Bindung an das College genau das, was du brauchst.«
    »Du weißt, was ich von Bindungen halte.«
    Sie wechselten einen Blick.
    »Du hast eine - zu deiner Tochter.«
    Er nippte an seinem Bier.
    »Laß uns wieder fröhlicher sein«, bat er nach einer Weile.
    »Es war ein langer Tag.«
    Amy lächelte, aber in ihren Augen lag Beunruhigung. Sie griff nach seiner Hand, streichelte die Finger und überdeckte ernstere Gedanken mit ihrem heiteren Necken: »Ich glaube, unsere gute Pip würde es für einen gelungenen Coup halten, wenn sie dich ganztags ins Kollegium einspannen könnte...«
    »Sie will mich nur für einen zusätzlichen Nachmittag.«
    »Heute zweieinhalb Tage von deiner Zeit, morgen deine Seele.«
    »Du sollst mich doch aufmuntern!«
    In ihren Augen glitzerte der Schalk. »Ich wollte dir nur klarmachen, daß jeder Widerstand zwecklos ist. Das haben schon andere versucht«, setzte sie hinzu und ließ ihre Stimme unheilvoll tief und brummig klingen, was ihn zum Lächeln reizte.
    »Eigenartig... sie hat mir in letzter Zeit immer wieder merkwürdige Blicke zugeworfen, irgendwie bedeutungsschwanger.«
    »Das war die Vorbereitung: So wirkt ihr Voodoo besser.«
    Er lehnte sich zurück. Leute schlenderten mit Gläsern
    in der Hand in den Biergarten des Hotels heraus. Sie alle nutzten die willkommene Abwechslung und die Sonne; der kalte Nieselregen der vergangenen Wochen war bereits vergessen. Eine riesengroße, pelzige Hummel schwebte ganz in der Nähe über den Azaleen, und ihr Brummen kündigte bereits die bevorstehenden wärmeren Monate an. Und er - er war erst vor kurzem so nahe daran gewesen, auf dieser Insel seinen Frieden zu finden. Die unbekümmerte Lebensart, das angenehme Wesen der Insel selbst, Amy - die schöne Amy -, seine eigene, selbst auferlegte gelegentliche Einsamkeit... das alles hatte ihn wieder ins Gleichgewicht gebracht, mit sich selbst, mit der Umwelt; eine vom rasenden Tempo der sich ständig verändernden Mikrochip-Welt weit entfernte Beständigkeit, und weit entfernt auch von einer Karriere in der vor Leben brodelnden Großstadt, weit entfernt von einer Ehefrau, die ihn einmal geliebt hatte, die aber später Angst gehabt hatte vor... vor was? Vor etwas, das sie beide nicht verstanden.
    Psychische Energie. Ein bizarrer Fluch.
    »Wer ist jetzt ernst?«
    Er starrte Amy ausdruckslos an; mit ihrer Frage hatte sie seine Überlegungen unterbrochen.
    »Du hast diesen abwesenden Blick gehabt... Okay,

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