Moorehawke 02 - Geisterpfade
Verzweiflung in seinem Gesicht. Er wich ihrem Blick aus, sein Atem beschleunigte sich, als kämpfte er gegen eine aufsteigende Beklemmung an.
Bedächtig, aber entschlossen ließ Wynter seine Finger los. Christopher taumelte ein paar Schritte rückwärts, als hätte nur ihre Hand ihn aufrecht gehalten. Dann strich er sich zittrig durchs Haar und blickte sich um wie ein gehetzter Fuchs. »Ich … ich merke gerade, dass ich gar nicht müde bin«, stammelte er. »Wir … vielleicht könnten wir …«
»Ist schon gut.« Wynter gab sich Mühe, ihre Verletztheit nicht durchklingen zu lassen, versuchte angestrengt, ein Beben aus ihrer Stimme fernzuhalten. »Ich verstehe schon.« Sie bohrte die Finger unter das dumme Wollband an ihrem Handgelenk und zerrte daran. »Ich bin kein Kind«, sagte sie ruhiger, als sie sich fühlte. »Und ich bin nicht so grausam, dass ich dich an etwas fesseln würde, das von deiner Seite nichts weiter als ein kurzer Moment der Freundlichkeit war.« Ungeschickt zupfte sie an dem störrischen Band. »Ich war unglaublich töricht. Ich kann nur hoffen, dass …«
Christopher prallte so heftig gegen sie, dass er sie beinahe umwarf, und umklammerte sie mit aller Kraft. Sie hatte beinahe vergessen, wie stark er eigentlich war, und bekam kaum noch Luft, so fest quetschte er ihren Brustkorb zusammen. »Nein«, stöhnte Christopher. »Nein, nein.«
»Christopher«, keuchte sie erstickt und wankte unter seinem Gewicht nach hinten. »Chris!«
Schließlich setzte Wynter ihre eigene, nicht unerhebliche Kraft ein und lockerte Christophers Umklammerung weit genug, um wieder atmen zu können, befreite ihre Arme aus seinem eisernen Griff. Dennoch ließ er sie nicht los und jammerte weiterhin an ihrem Hals: Nein , nein .
»Christopher«, flüsterte sie verwundert. Etwas zögerlich hob sie die Hände und legte sie dann vorsichtig auf seinen Rücken. »Christopher, was ist denn?«
Er schüttelte den Kopf, das Gesicht in ihr Haar gedrückt, die Arme fest um sie geschlungen.
»Christopher. Du weißt doch, dass ich hier sein möchte ? Dass ich das hier möchte?«
»Kann nicht«, flüsterte er. »Kann nicht … trauen … weiß nicht …« Er knirschte mit den Zähnen, schüttelte erneut heftig den Kopf.
Wynter blinzelte in die Nacht hinaus, verletzt, verwirrt und vor allem verängstigt, sie wusste nicht, was sagen, was tun. »Vielleicht«, begann sie, »vielleicht könnten wir einfach hineingehen? Wir könnten uns auf die Felle legen und die Augen schließen. Wir müssen nicht schlafen. Wir müssen nicht reden oder sonst etwas tun. Wir können einfach nur zusammen dort liegen.«
Einen Moment lang verharrten sie wortlos; Christopher klammerte sich mit den Fäusten in Wynters Hemd, sie streichelte ihm mit gemächlichen Kreisbewegungen über den Rücken. Dann löste sie sich von ihm, und er ließ sich von ihr an der Hand nehmen. Ohne ihn anzusehen, führte sie ihn ins Zelt und zu ihrem Bett. Dann zog sie Hemd und Stiefel aus, während er neben ihr stand, ein schweigender, regloser Schatten, der sich dunkel gegen das schwach erleuchtete Zelt abzeichnete. »Nun komm«, sagte sie und setzte sich auf die Bettkante. »Komm her, Christopher.«
Sie sah, wie er sich bückte, hörte, dass er die Stiefel auszog. Dann das Rascheln der Schnüre an seinem Unterhemd. Ganz kurz verschwand sein Schatten, dann kroch er auf der Innenseite des Lagers auf die Felle und legte sich hin. Sie tastete nach ihm. »Gib mir deine Hand«, bat sie, und er tat es. Sie rückte näher an ihn heran, spürte die Hitze seiner Haut und hielt sich an seiner vernarbten Hand fest wie an einem Anker. Noch näher rutschte sie.
Er verspannte sich.
»Ich möchte dir nur einen Gutenachtkuss geben«, sagte sie. »Darf ich?«
Sie fühlte, dass er nickte.
Ihre Lippen fanden seine nackte Schulter und küssten sie sanft. »Gute Nacht, Christopher.«
»Iseult?«
Sie wartete ungeduldig, doch mehr sagte er nicht, sondern schloss nur seine Hand etwas fester um ihre. So lagen sie lange nebeneinander, atmeten ruhig in die Nacht und schwiegen.
Nach einer Weile näherten sich leichte Schritte ihrem Zelt, und sofort setzten sich beide auf und griffen nach ihren Waffen. Weitere Schritte holten die ersten ein und blieben genau vor dem Eingang stehen. Emblas Stimme, lachend und gedämpft, drang durch die stille Luft zu ihnen hinein.
»Was sorgst du dich?«, sagte sie. »Sie haben nur etwas Freude aneinander, dann sie schlafen. Komm schon, Tabiyb. Komm zurück
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