Moorehawke 02 - Geisterpfade
unruhig; Christophers Zorn war im Augenblick unberechenbar, und Wynter stellte überrascht fest, dass sie sich Sorgen machte, was er wohl tun würde.
Embla stand nun etwas abseits, den Umhang fest um sich gezogen, und sah Razi zu, wie er seine Stute sattelte. Immer wieder lächelte er sie mit glänzenden Augen an, und Embla musterte seinen Körper mit unverhohlener, sehnsüchtiger Bewunderung. Als Hallvor ihre Arbeit erledigt hatte, schlenderte sie zu ihrer Herrin hinüber. Unterdessen reichte Úlfnaor Razi sein zusammengerolltes Bettzeug, trat zurück und rieb sich den Staub von den Händen. Er zog die Augenbrauen hoch und blickte sich um: Alles war verpackt.
Unvermittelt trat Christopher einen Schritt von seinem Pferd zurück, die Augen weiterhin auf Embla gerichtet. Wynter nahm die Zügel seiner Stute und bedachte ihn mit
einem vielsagenden Blick; wenn er mit Embla sprechen wollte, musste er sein Anliegen jetzt vorbringen.
Úlfnaor hob Razis Muskete auf, um sie ihm zu reichen, behielt sie dann aber in den Händen und betrachtete sie nachdenklich von allen Seiten. »Was haltet Ihr von diesen Waffen, Tabiyb?«, fragte er. »Ich selbst finde sie sehr plump. Es ist nicht gut, immer zu sein abhängig von dem schwarzen Pulver. Was macht man, wenn kein schwarzes Pulver mehr übrig ist?«
»Ich gebe Euch recht«, sagte Razi und zurrte die Steigbügel fest. »Aber sie sind die Zukunft, fürchte ich. Daran kann man nichts ändern. Darf ich?« Er duckte sich unter dem Hals seines Pferdes hindurch und nahm Úlfnaor die Waffe ab. »Ich möchte Euch etwas zeigen.« Die beiden Männer beugten die Köpfe über die Muskete.
Sobald Razi und Úlfnaor beschäftigt waren, stürzte Christopher los und fasste Embla am Arm. »Ich muss mit Euch sprechen.« Er sah sie durchdringend an. Sie seufzte, wich seinem Blick jedoch aus, weshalb Christopher seinen Griff verstärkte. »Jetzt gleich«, zischte er.
Da wurde Embla ganz still; sie wandte den Kopf herum und sah Christopher kalt in die Augen. Hallvor runzelte die Stirn, die Kriegshunde spitzten die Ohren und stellten das Nackenfell auf. Einen Moment lang herrschte atemlose Spannung – jede Sekunde konnte etwas geschehen, doch Wynter wusste nicht, was. Sie ließ die Hand auf den Griff ihres Schwerts sinken.
Doch dann lachte Embla gekünstelt und wedelte mit der Hand. Sie sah Hallvor begütigend an, nahm Christophers Arm und steuerte ihn von der argwöhnischen Heilerin fort. Zusammen liefen sie zu Wynter hinüber.
Ein verstohlener Blick zu Razi verriet Wynter, dass er und
Úlfnaor immer noch völlig in die Betrachtung der Waffe vertieft waren. Gerade zeigte Razi auf den Fluss, und Úlfnaor hob die Muskete an die Schulter und richtete den Lauf auf das dunkle Wasser.
»Embla«, flüsterte Christopher. »Bevor der Tabiyb fortgeht, müsst Ihr ihm sagen, dass Ihr und er nicht zusammen sein könnt. Ihr müsst ihm sagen, dass er nicht zurückkommen und Euch suchen soll.«
Embla stutzte, und Christopher zog sie näher an sich heran, seine Finger gruben sich in ihren Arm. »Sagt es ihm, Embla. Es ist mir egal, was Ihr ihm erzählt – dass er zu jung ist. Dass es für Euch nur ein Spaß war. Sagt ihm, Ihr seid verheiratet … ganz gleich. Aber überzeugt ihn davon, dass er nicht Euretwegen zurückkommt.«
Ärgerlich entzog Embla ihm ihren Arm und richtete sich zu voller Größe auf. »Ich will aber nicht!«, fauchte sie. »Warum darf ich das nicht haben? Warum bekomme ich das nicht? Ashkr, er …«
»Ashkr ist anders, Embla, das wisst Ihr, weil Sólmundr anders ist. Es ist grausam, und Ashkr hätte es niemals geschehen lassen dürfen, aber wenigstens begreift Sólmundr, zumindest ist es seine eigene Entscheidung. Tabiyb wird es niemals verstehen!«
»Hört auf damit, Coinín. Hört auf! Es ist nicht recht, dass Ihr sagt so etwas! Warum seid Ihr so böse? Warum macht Ihr mich unglücklich in meiner seachtain deireanach ?«
»Ihr täuscht ihn«, sagte Christopher. »Ihr stellt ihm wissentlich etwas in Aussicht, das Ihr ihm nicht zu geben vermögt.«
Einen Moment lang musterte Embla ihn, dann änderte sich ihre Miene, und sie beugte sich dicht zu ihm, ihr Tonfall bekam etwas Eindringliches. »Coinín. Ihr wisst, dass Tabiyb niemals vorhat, wirklich zu kommen zurück. Ich bin nur
eine Frau, mit der er seinen Spaß hatte, nichts weiter. Er geht fort und zurück in sein Leben. Er kümmert sich um seine Aufgabe und vergisst das Versprechen, das er mir gegeben hat.« Beschwörend legte sie
Weitere Kostenlose Bücher