Moorehawke 02 - Geisterpfade
»Ich habe es satt, ihnen immer wieder versehentlich in die Arme zu laufen. Folgen wir ihnen lieber eine Weile. Nur um zu sehen, was sie vorhaben.«
»Ich glaube immer noch, dass sie auf dem Weg zur Fähre sind«, meinte Christopher.
»Das liegt ohnehin auf unserem Weg«, sagte Wynter. »Wir könnten ihnen ganz leicht bis dorthin folgen, ohne Zeit zu verlieren, und falls sie den Fluss nicht überqueren und sich unsere Pfade trennen sollten, können wir immer noch entscheiden, was wir machen.«
Razi sah Christopher durchdringend an, bis der seinem Blick begegnete.
»Was denn?«, knurrte er herausfordernd.
Doch Razi ließ nur den Kopf hängen. »Ach, nichts«, sagte er. »Gar nichts.« Damit drehte er sich im Sattel um und trieb sein Pferd an. »Also los«, sagte er. »Und seid um Gottes willen leise.«
Stunden später, als sich das Licht langsam in staubiges Halbdunkel verwandelte, schreckte sie ein scharfer Pfiff auf. Vorsichtig zügelten sie die Pferde, und Razi hob die Faust und kauerte sich tief in den Sattel. Es war nichts zu erkennen. Immer noch in die Baumreihen spähend, nahm er die Hand wieder herunter und ritt langsam weiter.
Nur Augenblicke später hielt er neuerlich an und suchte die Umgebung ab, dieses Mal jedoch glitt er aus dem Sattel, band sein Pferd an einem Baum fest und rannte gebückt los. Wynter und Christopher wechselten einen Blick und folgten ihm auf dem Fuß. Mehrere Minuten lang lief er geradeaus,
dann warf er sich im Unterholz in Deckung und robbte auf dem Bauch ein Stückchen nach vorn. Wynter und Christopher hechteten ihm nach, und so lagen sie zu dritt nebeneinander in ihrem Versteck und versuchten, wieder zu Atem zu kommen.
Offenbar befanden sie sich dicht vor einem steilen Abhang. Wie hoch er war oder was darunter lag, war von ihrer Position aus nicht zu erahnen, doch sie hatten einen vorzüglichen Blick auf die Loup-Garous, die genau in diesem Moment auf die Kante zuritten. Die Sonne stand tief, brannte ihr verlöschendes Licht durch die hoch am Horizont aufgetürmten Gewitterwolken, und die Reiter zeichneten sich scharf gegen den lebendigen Himmel ab, als sie ihre Tiere zum Stehen brachten und in den Abgrund hinabsahen.
Sobald die vier Wölfe angehalten hatten, saßen die Sklaven ab und rannten eilig nach vorn zu denen, die Wynter für die Wolfsführer hielt. Einer zu dem Pferd des großen Blonden, der andere neben einen breitschultrigen Dunkelhäutigen. Keiner von beiden schenkte den jungen Männern an seiner Seite Beachtung, doch die beiden Sklaven hoben genau zur selben Zeit den rechten Arm und legten die Hände auf die Hälse der Pferde. Sie benahmen sich wie zwei Hunde, darauf abgerichtet, sich ihrem Herrchen zu Füßen zu legen.
Da regte sich rechts von Wynter etwas: Es war das nächste Grüppchen Wölfe, das zwischen den Bäumen auftauchte. Sie hielten Abstand, bis der Blonde ihnen ein Zeichen gab. Darauf ritten sie nach vorn, allerdings ordneten sie sich hinter den anderen ein, und dadurch blieb ihnen der Blick in den Abgrund versperrt.
Nun murmelte der Blonde etwas, und sofort lief der junge Mann an seiner Seite los, um einen Wasserschlauch zu holen. Er bot ihn zuerst seinem Herrn an und reichte ihn dann
unter den anderen herum, geduldig wartend, bis alle Reiter getrunken hatten. Als die Wölfe versorgt waren, verstaute der Sklave den Schlauch und nahm den Platz neben seinem Herrn wieder ein, die Hand wie zuvor auf den Hals des Pferdes gelegt.
Die beiden Anführer wandten einander die Köpfe zu, um sich murmelnd auf Hadrisch zu unterhalten. Beim Sprechen tätschelte der Blonde geistesabwesend den Kopf des Sklaven, strich ihm durch die seidigen Locken, wie man einen Hund streicheln würde. Der Sklave nahm diese Liebkosung ohne Regung hin. Nach ein paar Sätzen sahen die beiden Reiter einander vielsagend an, und der Dunkelhäutige wandte sich an die übrigen Männer hinter sich.
»Sie sind da unten«, verkündete er auf Hadrisch, »dort zwischen den Bäumen. Für den Augenblick lassen wir sie in Ruhe. Zweifellos werden sie sich am Fährhaus mit anderen zusammenschließen, aber ich glaube, wir können es dabei bewenden lassen und weiterziehen.«
»Uns ist langweilig«, knurrte einer der Männer hinter ihm. Der dunkelhäutige Anführer drehte sich zu ihm um und funkelte ihn an. »Du brauchst mich gar nicht so anzusehen, Gérard!«, schimpfte der Unzufriedene. »Seit Monaten sind wir auf diesem Pfad unterwegs. Ich hab es satt, mich zu verstecken.«
Ein
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