Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Moorehawke 02 - Geisterpfade

Moorehawke 02 - Geisterpfade

Titel: Moorehawke 02 - Geisterpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
Vom Netzwerk:
fürchtet ihn auch. Ich glaube, er sträubt sich, ihm seine Freiheit zu geben, weil er Angst hat, dass David die Rudel spalten wird.«
    Ohne Vorwarnung entschlüpfte Wynter die Frage, die ihr schon seit Tagen im Kopf herumschwirrte. »Sind das die Männer, die deine Hände verletzt haben?«
    »Ich kann mich nicht erinnern«, antwortete Christopher tonlos.
    Wynter runzelte die Stirn. »Aber wie …«
    »Er kann sich nicht erinnern , Wynter!«, fuhr Razi sie an. »Lass ihn in Ruhe!«
    Wynter senkte den Kopf, doch Christopher gab widerstrebend nach.
    »Razi glaubt, dass sie wahrscheinlich jemanden bezahlt haben, um es für sie zu erledigen«, sagte er. »In Algier machen sich die Wölfe die Hände nicht schmutzig, weißt du?« Als er höhnisch die Oberlippe hochzog, sah Wynter seine Zähne aufblitzen. »In Algier betreiben sie nur ihre Geschäfte .«
    Den letzten Satz hatte er scharf, mit bitterer Betonung auf dem letzten Wort ausgestoßen, und Razi wand sich unbehaglich.
»Chris …«, raunte er. Abermals entstand eine lange Stille.
    »Ich hätte dieses Rennen gewinnen können«, sagte Christopher da unerklärlicherweise, die Augen immer noch in den Himmel gerichtet.
    »Das weiß ich«, entgegnete Razi. »Ich habe dich nicht ein einziges Mal in einem Rennen besiegt.« Mit ausdrucksloser Miene starrte er weiterhin in die sich verdichtende Finsternis. »Deshalb wusste ich es ja«, fuhr er fort. »Deshalb haben wir dich ja so schnell wiedergefunden. Als du nicht beim Haus warst, habe ich sofort kehrtgemacht, und wir haben dich gesucht. Gott steh uns bei, Chris! Was haben wir uns nur dabei gedacht? Meine Ritter einfach so zurückzulassen? Du lieber Himmel! Solche Schafsköpfe!«
    »Ach.« Christopher machte eine beschwichtigende Geste. »Wir waren doch noch kleine Jungs. Wir mussten uns austoben.«
    »Ich hätte es besser wissen müssen!«, rief Razi. »Menschen wie ich sind keine Jungs , Menschen wie ich toben sich nicht aus …« Er fing sich wieder und beendete den Satz weicher: »Wir sollten uns niemals austoben.«
    »Tja«, brummelte Christopher. »Ich habe wohl einen schlechten Einfluss, was?«
    »Wie hast du ihn gefunden?«, wollte Wynter wissen. »Als du umgekehrt bist? Wie hast du ihn gefunden?«
    Razi schüttelte nur den Kopf und wandte sich ab.
    »Ich habe geschrien.« Christopher drehte sich etwas, um sie anzusehen, den Umhang immer noch wie zum Schutz um sich gerafft. »Marcello sagt, ich hätte immer noch geschrien, und so haben sie mich gefunden. Razi glaubt, sie hätten ihn kommen sehen und deshalb …« Er wedelte etwas eckig mit der Hand. »Deshalb waren sie am Schluss so brutal. Seiner
Meinung nach haben sie versucht, es noch schnell zu Ende zu bringen, ehe sie flüchteten.«
    »Du warst mitten auf der Straße«, sagte Razi. »Sie haben sich überhaupt keine Mühe gegeben, dich zu verstecken.«
    »Ja, stimmt. Sie wollten, dass du mich findest, oder? Ich war ihr kleines Geschenk an al-Sayyid. Zweifelsohne haben sie sich ordentlich ins Fäustchen gelacht, dass du dein Geld für einen fingerlosen Musiker verschleudert hast.«
    Lange Zeit schwiegen alle verlegen. Razi war in Gedanken versunken, und Wynter starrte Christopher unverwandt an, im Geiste furchtbare Bilder vor sich sehend. Sie wusste nicht, was in ihrer Miene zu lesen war, aber was es auch war, Christopher wandte sich von ihr ab, und sie musste schlucken. Man sah ihm deutlich an, dass er nicht mehr weiter darüber reden wollte. Dass er diese Talfahrt anhalten wollte, jedoch keine Ahnung hatte, wie das gehen sollte. Flehend sah er Razi an, dann wieder zur Seite, aber Wynter wusste nicht, wie sie ihn retten sollte. Sie konnte einfach die schreckliche Vorstellung nicht abschütteln: Razi und Christopher, schreiend und verzweifelt und blutüberströmt unter der afrikanischen Sonne.
    »Weißt du, was?«, fragte Christopher unvermittelt.
    Wynter verneinte.
    »Ich habe Hunger …«
    Razi schnaubte, Wynter musste laut lachen. Der Bann war gebrochen.
    »Du kannst keinen Hunger haben«, krächzte sie. »Du hast gerade eine Wagenladung Brot und Käse vertilgt.«
    »Du bist wie ein verwünschter Bandwurm«, knirschte Razi.
    Christopher legte sich eine Hand über die Augen und hustete trocken. »Tja. Eigentlich bin ich nicht unbedingt so
hungrig . Ich hätte nur Lust auf einen Geschmack , wisst ihr?« Damit rollte er sich auf den Rücken.
    Wynter betrachtete sein blasses, schmales Gesicht, um das sich der Umhang bauschte, und da erkannte, ja, wusste sie es.

Weitere Kostenlose Bücher