MoR 01 - Die Macht und die Liebe
unbedingt Steine in den Weg legen wollten. Keiner der Volkstribunen stand auf der Seite des Senats.
Der Senat setzte sich zur Wehr. Die besten Redner plebejischer Herkunft marschierten auf und sprachen in der Versammlung der Plebs, darunter auch der Pontifex Maximus Lucius Caecilius Metellus Delmaticus - der seinen jüngeren Bruder Schweinebacke glühend verteidigte - und der neugewählte erste Konsul Lucius Cassius Longinus. Aber Marcus Aemilius Scaurus, der vielleicht als Zünglein an der Waage dem Senat zum Sieg verholfen hätte, war ein Patrizier und konnte darum nicht in der Versammlung der Plebejer sprechen. Scaurus mußte sich damit begnügen, von der Treppe vor dem Senatsgebäude auf die brechend vollen Ränge des offenen Rundbaus hinunterzuschauen, in dem die Plebs sich versammelt hatte, und ohnmächtig zuzuhören.
»Sie werden uns schlagen«, sagte er zum Zensor Fabius Maximus Eburnus, der ebenfalls Patrizier war. »Dieser verdammte Gaius Marius!«
Und Marius gewann. Durch seine gnadenlose Briefkampagne war es ihm gelungen, die Ritter und die mittleren Stände von Metellus abzubringen. Metellus’ Name war befleckt, seine politische Macht zerstört. Natürlich würde er sich im Laufe der Zeit erholen, seine Familie und seine Verbindungen waren zu einflußreich. Aber im Augenblick wollte ihm die Versammlung der Plebs, geschickt geführt von Mancinus, den Oberbefehl in Africa abnehmen, und sein Name war schmutziger als der Schweinestall von Numantia. Das römische Volk verabschiedete ein Gesetz, mit dem ein Präzedenzfall geschaffen wurde. Dieses Gesetz ersetzte Metellus durch Gaius Marius, der namentlich genannt wurde. Und als das Gesetz - genaugenommen ein Plebiszit - erst einmal auf den Tafeln festgehalten war, lag es im Archiv eines Tempels, Beispiel und Vorbild für andere, die in Zukunft dasselbe versuchen würden - andere, die vielleicht weder die Fähigkeiten eines Gaius Marius besaßen, noch seine ausgezeichneten Gründe hatten.
»Aber«, sagte Marius zu Sulla, sobald das Gesetz verabschiedet war, »Metellus wird mir nie und nimmer seine Soldaten überlassen.«
Ach, was mußte er noch alles lernen, wie viele Dinge, die er als patrizischer Cornelius hätte wissen müssen und die er doch nicht wußte? Manchmal zweifelte Sulla, ob er jemals genug würde lernen können, aber dann dachte er daran, welches Glück es war, daß er unter Gaius Marius diente, und faßte wieder Mut. Denn Marius hatte immer für ihn Zeit, erklärte ihm Zusammenhänge und kreidete ihm seine Unwissenheit nicht an. Und so nutzte Sulla die Gelegenheit, sein Wissen zu erweitern, und fragte: »Aber gehören die Soldaten nicht zum Krieg gegen König Jugurtha? Sollen sie nicht so lange in Africa bleiben, bis der Krieg gewonnen ist?«
»Sie könnten in Africa bleiben - aber nur, wenn Metellus einverstanden ist. Er müßte den Leuten verkünden, daß sie sich für die Dauer des Feldzuges eingeschrieben haben und daß sein Rücktritt vom Oberbefehl daran nichts ändert. Aber er kann sich ebensogut auf den Standpunkt stellen, die Soldaten kraft seines Amtes rekrutiert zu haben. In diesem Fall endet ihre Dienstzeit gleichzeitig mit der seinen. Wie ich Metellus kenne, wird er diese Auffassung vertreten. Er wird sie entlassen und sie schnurstracks nach Italien zurückverfrachten.«
»Und das heißt, daß du ein neues Heer aufstellen mußt«, sagte Sulla. »So ist das also.« Dann fragte er: »Könntest du nicht warten, bis er sein Heer nach Hause bringt und die Leute dann in deinem Namen neu rekrutieren?«
»Das könnte ich«, antwortete Marius, »aber leider werde ich keine Gelegenheit dazu bekommen. Lucius Cassius wird nach Gallien gehen, um in Tolosa gegen die Germanen zu kämpfen. Eine Aufgabe, die erledigt werden muß - wir wollen keine halbe Million Germanen knapp hundert Meilen weit von der Straße nach Spanien und direkt an den Grenzen unserer eigenen Provinz sitzen haben. Deshalb vermute ich, daß Cassius bereits an Metellus geschrieben und ihn gebeten hat, sein Heer für den Feldzug nach Gallien neu zu Verpflichten, ehe es Africa überhaupt verläßt.«
»Ach, so funktioniert das«, sagte Sulla.
»Ja, so funktioniert das. Lucius Cassius Ist der erste Konsul, er hat Vorrang vor mir. Folglich hat er auch die erste Wahl bei allen Soldaten, die verfügbar sind. Metellus wird sechs sehr gut ausgebildete und erfahrene Legionen mit nach Italien zurückbringen. Und das werden auch zweifellos die Legionen sein, die Cassius nach
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