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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Metellus in Africa wurde doch bereits für das nächste Jahr verlängert. Wie kannst du da deinen Klienten versprechen, daß sie wieder Handel in Numidien treiben können?«
    Marius sah nachdenklich vor sich hin. »Ja, das stimmt natürlich, Quintus Caecilius hat Africa tatsächlich für nächstes Jahr in der Tasche, oder etwa doch nicht?«
    Da dies offenkundig eine rhetorische Frage war, suchte Sulla erst gar nicht nach einer Antwort, sondern saß einfach da und staunte, wie Marius’ Gehirn arbeitete. Kein Wunder, daß er es bis zum Konsul gebracht hatte!
    »Nun, Lucius Cornelius, ich habe über das Problem nachgedacht, daß Quintus Caecilius in Africa ist, und es ist durchaus lösbar.«
    »Aber der Senat wird Quintus Caecilius nie und nimmer durch dich ersetzen«, wagte Sulla einzuwenden. »Ich kenne mich noch nicht gut aus mit den politischen Feinheiten im Senat, aber ich habe immerhin schon mitbekommen, wie unbeliebt du bei den führenden Senatoren bist, und diese Strömung erscheint mir viel zu stark, als daß du dagegen ankommen könntest.«
    »Sehr wahr«, sagte Marius und lächelte noch immer freundlich. »Ich bin ein italischer Bauer ohne Griechischkenntnisse - um Metellus zu zitieren, den ich stets Schweinebacke nenne, wie du besser wissen solltest - und nicht würdig, auf dem Elfenbeinstuhl des Konsuls zu sitzen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß ich schon fünfzig bin - viel zu alt für das Konsulat und viel zu alt für große militärische Kommandos. Im Senat stehen die Zeichen gegen mich. Aber das war schon immer so, weißt du. Und doch - hier bin ich, Konsul mit fünfzig Jahren! Ein bißchen rätselhaft, nicht wahr, Lucius Cornelius?«
    Sulla grinste und fletschte diesmal ungeniert die Zähne, aber Marius schien das nicht zu erschüttern. »Ja schon, Gaius Marius.«
    Marius beugte sich in seinem Stuhl nach vorn und faltete seine schönen Hände auf der herrlichen grünen Steinplatte seines Schreibtisches. »Lucius Cornelius, vor vielen Jahren habe ich entdeckt, daß es verschiedene Methoden gibt, ein Wild zu stellen. Während andere den cursus honorum ohne Atempause durchliefen, trat ich auf der Stelle. Aber die Zeit war nicht verschwendet. Ich habe sie damit verbracht, sämtliche Methoden aufzulisten, wie man das Wild stellt. Und ich habe andere, ebenso lohnende Dinge betrieben. Weißt du, wenn man über die Zeit hinaus warten muß, zu der man eigentlich an der Reihe wäre, dann beobachtet man, man wägt ab und setzt Mosaiksteinchen zusammen. Ich war nie ein großer Rechtsgelehrter, nie ein Experte für unsere ungeschriebene Verfassung. Während Metellus Schweinebacke hinter Cassius Ravilla her durch die Gerichtshöfe zog und lernte, wie man die Verurteilung einer Vestalischen Jungfrau erwirken kann - das meine ich natürlich nur metaphorisch -, war ich Soldat. Und ich bin Soldat geblieben. Dieses Handwerk beherrsche ich am besten. Und doch kann ich mich damit brüsten, daß ich inzwischen mehr über das Gesetz und die Verfassung gelernt habe als fünfzig von der Sorte eines Metellus Schweinebacke. Ich sehe mir die Dinge von außen an, mein Denken wurde nicht durch eine Ausbildung in vorgezeichnete Bahnen gelenkt. Und ich sage dir jetzt, daß ich Quintus Caecilius Metellus Schweinebacke vom hohen Roß seines africanischen Kommandos stürzen und seine Stelle einnehmen werde.«
    »Ich glaube dir«, sagte Sulla und holte Luft. »Aber wie?«
    »In puncto Recht sind sie alle Einfaltspinsel«, sagte Marius verächtlich, »und deswegen werde ich mein Ziel erreichen. Es ist von jeher Brauch, daß der Senat die Statthalterschaften vergibt, und es ist noch nie jemandem in den Sinn gekommen, daß Senatsbeschlüsse genaugenommen keine Gesetzeskraft haben. Zwar wissen sie alle darum, wie man leicht zeigen kann, wenn man sie die Gesetze herunterrattern läßt. Aber wirklich zur Kenntnis genommen haben sie diese Tatsache nie, nicht einmal nach der Lektion, die ihnen die Gracchen erteilt haben. Senatsbeschlüsse haben nur die Kraft der Gewohnheit, der Tradition, nicht die Kraft des Gesetzes! Die Versammlung der Plebs macht heute die Gesetze, Lucius Cornelius. Und ich verfüge über erheblich mehr Macht in der Versammlung der Plebs als jeder Caecilius Metellus.«
    Sulla saß reglos da, ehrfurchtsvoll und ein wenig ängstlich, und beide Gefühle waren ihm vollkommen fremd. Marius’ Scharfsinn war zwar eindrucksvoll, aber nicht das beeindruckte Sulla so sehr. Viel tiefer berührte Sulla die neue Erfahrung, daß

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