MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Soldat, er war auch der geborene Anführer. »Er weiß einfach, was wie zu tun ist«, seufzte Scipio Aemilianus mit einem Anflug von Neid.
Im Alter von siebzehn Jahren war Gaius Marius noch ziemlich klein und mager gewesen, ein schlechter Esser und überhaupt ein schwieriger Junge, von seiner Mutter verhätschelt und von seinem Vater insgeheim verachtet. Doch dann zog er zum ersten Mal die Soldatenstiefel über, schnallte einen Panzer aus Bronze über seinen ledernen Rock und wuchs von Stund an körperlich und geistig, bis er alle anderen an Körpergröße, Verstand, Stärke, Mut und Entschlossenheit weit überragte. Er entfremdete sich seiner Mutter, während der Vater jetzt voller Stolz auf seinen Sohn blickte.
Für Gaius Marius gab es nichts Erhebenderes als das Bewußtsein, Teil der größten Militärmaschinerie der Welt zu sein. Kein noch so anstrengender Marsch, keine noch so lange und schikanöse Unterweisung im Schwertkampf, keine noch so erniedrigende Aufgabe konnte seine überschwengliche Begeisterung dämpfen. Es war ihm egal, was für Aufgaben er zugewiesen bekam, solange er nur Soldat sein durfte.
In Numantia machte er die Bekanntschaft eines siebzehnjährigen Offiziersanwärters, den Scipio Aemilianus eigens für seinen kleinen Stab aus Rom angefordert hatte. Der Bursche hieß Quintus Caecilius Metellus, und er war der jüngere Bruder jenes Caecilius Metellus, der später nach einem Feldzug gegen die Horden der Barbaren in den dalmatinischen Bergen von Illyricum den Beinamen Delmaticus annehmen und zum Pontifex Maximus aufsteigen sollte, dem höchsten Priester des Staates.
Der kleine Metellus war ein typischer Vertreter seines Geschlechts: ein fleißiger Arbeiter ohne jede praktische Begabung, jemand, der nie aufgab und von seinen außerordentlichen Fähigkeiten felsenfest überzeugt war. Scipio Aemilianus schwieg dazu aus Loyalität zu Metellus’ gesellschaftlicher Klasse, der auch er angehörte, aber die Besserwisserei des Siebzehnjährigen schien ihn zu ärgern, denn nicht lange nach dessen Ankunft in Numantia unterstellte er ihn der Aufsicht des Gaius Marius und seiner beiden Freunde. Die drei ließen den jungen Metellus ihre Ablehnung spüren - sie waren nicht grausam zu ihm, aber hart.
Numantia hielt der Belagerung stand, Scipio Aemilianus hatte alle Hände voll zu tun, und der junge Metellus mußte selbst sehen, wie er zurechtkam. Dann fiel die Stadt und wurde dem Erdboden gleichgemacht. Das römische Heer feierte den Sieg mit einem Saufgelage, an dem vom höchsten Offizier bis zum einfachen Soldaten alle teilnahmen, auch die drei Freunde und Quintus Caecilius Metellus, der an diesem Tag seinen achtzehnten Geburtstag feierte. Gaius Marius und seine Freunde spielten ihm an diesem Tag einen bösen Streich: Sie warfen das Geburtstagskind in einen Schweinekoben.
Ernüchtert und von oben bis unten mit Schweinekot besudelt, kroch Metellus aus dem Dreck. Blanker Haß stand ihm in den Augen. »Ihr - ihr armseligen Emporkömmlinge! Für wen haltet ihr euch eigentlich? Ich will es euch sagen! Du bist nur ein dreckiger Ausländer, Jugurtha! Und du bist ein aufgeblasener Schleimer, Rutilius! Und du, Gaius Marius, du bist ein italischer Bauer, der nicht einmal Griechisch kann! Wie könnt ihr es wagen! Wißt ihr nicht, wer ich bin? Kennt ihr meine Familie nicht? Ich bin ein Caecilius Metellus. Wir waren etruskische Könige, als es Rom noch gar nicht gab!«
Jugurtha, Rutilius Rufus und Gaius Marius lehnten an der Bretterwand des Schweinekobens und starrten Metellus unbeeindruckt an. Dann schwang sich Publius Rutilius Rufus mit einem breiten Grinsen rittlings auf den obersten Balken.
»Versteh mich nicht falsch, Quintus Caecilius«, sagte er, »ich weiß durchaus zu würdigen, was du uns da erzählst. Das Problem ist nur, oh König der Etrusker, daß auf deinem Kopf ein dicker fetter Haufen Scheiße sitzt und keine Krone! « Er kicherte. »Nimm erst einmal ein Bad, und dann erklärst du uns alles noch einmal. Vielleicht gelingt es uns dann, ernst zu bleiben.«
Metellus versuchte verzweifelt, sein Gesicht vom Kot zu reinigen. »Rutilius!« stieß er giftig hervor. »Was ist das schon für ein Name! Der wird nie im Senat auftauchen. Oskische Niemands seid ihr! Bauern!«
»Jetzt ist es aber genug! « sagte Rutilius Rufus freundlich. »So viel Etruskisch kann ich auch noch, daß ich weiß, was Metellus heißt.« Er drehte, sich zu Jugurtha und Marius um und übersetzte: »Vom Dienst als Söldner
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