MoR 01 - Die Macht und die Liebe
zum Marsfeld, begleitet von Freunden und Anhängern, die alle bester Laune waren, denn sie zweifelten nicht daran, daß Antonius und er es schaffen würden. Lachend und scherzend marschierten sie schnellen Schrittes über das Forum Romanum. An diesem klaren Morgen im Spätherbst wehte ein kühler Wind, und so zitterten sie ein wenig, als sie das Fontinalis-Tor passierten, das in tiefem Schatten lag. Aber der Gedanke an den Sieg, der auf der sonnigen Ebene unterhalb der Arx auf sie wartete, lenkte sie ab. Bald würde Gaius Memmius Konsul sein.
Auch andere Männer gingen zur Saepta, in Gruppen, paarweise, nur wenige allein. Ein Angehöriger der Vermögensklassen, die die kurulischen Beamten wählen durften, zeigte sich in der Öffentlichkeit gerne in Gesellschaft, denn das mehrte seine dignitas .
An der Stelle, wo die Straße vom Quirinal in die Via Lata mündete, stießen Gaius Memmius und seine Begleiter auf eine Gruppe von ungefähr fünfzig Männern, die niemand anderen als Gaius Servilius Glaucia begleiteten.
Verblüfft blieb Memmius stehen. »Wo gehst du denn hin, und in dieser Aufmachung?« fragte er mit einem verwunderten Blick auf Glaucia, der die Toga der Kandidaten trug. Die Toga wurde besonders gebleicht, indem man sie tagelang in die Sonne hängte. Zusätzlich wurde mit großer Sorgfalt zu Puder verriebener Kalk aufgetragen, bis ein Weiß von blendender Reinheit erschien. Eine solche Toga durfte man nur tragen, wenn man für ein öffentliches Amt zur Wahl stand.
»Ich kandidiere für das Amt des Konsuls«, sagte Glaucia.
»Das geht nicht, das weißt du doch selber«, sagte Memmius.
»Oh doch, ich kandidiere!«
»Gaius Marius sagte, daß du nicht kandidieren darfst.«
»Gaius Marius sagte, daß ich nicht kandidieren darf«, äffte Glaucia Gaius Memmius mit künstlich hoher Stimme nach. Dann wandte er Memmius demonstrativ den Rücken zu und sprach mit lauter Stimme, affektiert wie eine Tunte, zu seinen Begleitern. »Gaius Marius hat mir verboten zu kandidieren! Gut! Ich muß sagen, ich finde es schon ganz schön happig, wenn richtige Männer nicht mehr kandidieren dürfen, aber hübsche kleine Schwule schon!«
Inzwischen hatte sich eine Gruppe von Zuhörern um die beiden Kontrahenten versammelt, nichts Ungewöhnliches, denn Zusammenstöße der rivalisierenden Kandidaten gehörten bei einer Wahl einfach dazu, sie gaben der Sache die richtige Würze. Daß die beiden Kandidaten sich schon stritten, bevor sie überhaupt die Saepta erreicht hatten, störte die Zuschauer nicht im mindesten. Immer mehr Männer kamen auf der Via Lata aus der Stadt und vergrößerten die Menge.
Gaius Memmius krümmte sich voller Pein, als ihm bewußt wurde, wie viele Ohren gespitzt lauschten. Sein Leben lang hatte er darunter gelitten, daß er zu gut aussah, immer war er deshalb verspottet worden - er war ein Schönling, man konnte ihm nicht trauen, er mochte Jungen, man konnte ihn nicht richtig ernst nehmen, und so weiter, und so fort. Und jetzt verspottete ihn Glaucia vor all diesen Menschen, all diesen Wählern!
Gaius Memmius sah rot, verständlicherweise. Bevor seine Begleiter auch nur ahnten, was in ihm vorging, hatte er einen Satz nach vorn gemacht, Glaucia an der linken Schulter gepackt und ihm die Toga vom Leib gerissen. Als Glaucia herumflog, um zu sehen, wer der Angreifer war, holte Memmius zu einem harten Schlag auf Glaucias linkes Ohr aus und traf. Glaucia ging zu Boden, Memmius fiel über ihn. Glaucias Männer hatten Prügel und Knüppel unter ihren Gewändern versteckt, und die holten sie jetzt hervor und gingen mit wildem Rachegeschrei auf Memmius’ Begleiter los, die wie versteinert dastanden. Die Gruppe, mit der Memmius gekommen war, löste sich sofort auf. Laut um Hilfe schreiend stoben Memmius’ Freunde in alle Richtungen davon.
Wie immer in solchen Fällen, rührte keiner der Zuschauer auch nur einen Finger. Sensationsgierig sahen sie zu, keiner schritt ein. Natürlich, das sei zu ihrer Ehrenrettung gesagt, hätte sich niemand träumen lassen, daß hier etwas anderes als das übliche Gezänk zweier Kandidaten stattfinden wurde. Die Waffen waren zwar eine Überraschung, aber es war schon öfter vorgekommen, daß Freunde der Kandidaten Waffen getragen hatten.
Zwei große Männer hoben den heftig um sich schlagenden Memmius auf und hielten ihn fest, Glaucia rappelte sich auf und stieß seine ruinierte Toga mit einem Fußtritt zur Seite. Er sagte kein Wort. Dann griff er sich einen Prügel von einem,
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