MoR 01 - Die Macht und die Liebe
tägliche Hirse mit Steckrüben langsam satt. Ihr solltet lieber hoffen, daß Lucius Equitius sie nicht aufhetzt. Während dieser ganzen elenden Wahlen haben sie sich ausgezeichnet benommen, aber das könnte sich schnell ändern, wenn Hirse und Steckrüben auf dem Markt immer teurer werden.«
»Ach, darüber müssen wir uns keine Sorgen machen«, sagte Gaius Memmius fröhlich. Er war in bester Laune, denn die Wahl der Volkstribunen hatte vorschriftsmäßig stattgefunden, und seine gemeinsame Kandidatur mit Marcus Antonius Orator für das Amt des Konsuls erschien aussichtsreicher denn je. »In ein paar Tagen wird sich die Lage bessern. Marcus Antonius hat mir erzählt, daß es unseren Agenten in der Provinz Asia gelungen ist, irgendwo ganz am nördlichen Ufer des Schwarzen Meeres eine große Menge Getreide aufzukaufen. Das erste Schiff der Getreideflotte müßte jeden Tag in Puteoli eintreffen.«
Alle starrten ihn mit offenen Mündern an.
»Nun«, sagte Marius, und weil er einen Augenblick vergaß, daß er nicht mehr mit süßer Ironie lächeln konnte, verzog er sein Gesicht zu einer furchtbaren Grimasse. »Wir alle haben zur Kenntnis genommen, daß du anscheinend die Gabe besitzt, die Zukunft der Getreideversorgung vorherzusehen. Dennoch wüßte ich gern, wie ausgerechnet du zu dieser Information gekommen bist, obwohl weder ich - immerhin der erste Konsul! - noch Marcus Aemilius hier - der Vorsitzende des Senats und curator annonae - etwas davon wissen?«
Zwanzig Augenpaare richteten sich auf Memmius. Der schluckte. »Es ist kein Geheimnis, Gaius Marius. In Athen sind wir zufällig im Gespräch darauf gestoßen, nachdem Marcus Antonius von seiner letzten Reise nach Pergamum zurückgekehrt war. Er hatte ein paar unserer Getreideaufkäufer dort getroffen, und die haben es ihm erzählt.«
»Und warum hat es Marcus Antonius nicht für nötig befunden, mich als den für die Getreideversorgung verantwortlichen Beamten davon in Kenntnis zu setzen?« fragte Scaurus in eisigem Ton.
»Ich nehme an, weil er - wie ich doch auch, wirklich! - angenommen hat, daß du das längst wußtest. Die Einkäufer haben doch Briefe geschrieben, warum solltest du nicht Bescheid gewußt haben?«
»Die Briefe sind hier nicht eingetroffen«, sagte Marius und nickte zu Scaurus hinüber. »Darf ich dir, Gaius Memmius, unseren Dank dafür aussprechen, daß du uns diese großartigen Neuigkeiten mitgeteilt hast?«
»Wirklich gute Nachrichten«, sagte Scaurus. Sein Zorn legte sich langsam.
»Wir sollten jetzt um unser aller Wohl willen hoffen, daß kein Sturm aufkommt und das Getreide auf dem Grund des Mittelmeeres versenkt«, sagte Marius. Die Menschen auf dem Forum hatten sich inzwischen so weit verlaufen, daß er den Heimweg für sicher hielt. Außerdem hatte er nichts dagegen, noch mit ein paar von ihnen zu sprechen. »Senatoren, morgen treffen wir uns wieder hier, zur Wahl der Quästoren. Und am Tage darauf marschieren wir alle hinaus auf das Marsfeld, wenn sich dort die Männer vorstellen, die als Konsuln und Prätoren kandidieren. Ich wünsche euch noch einen schönen Tag.«
»Du bist ein Schwachkopf, Gaius Memmius«, verkündete Catulus Caesar von seinem Stuhl aus ein niederschmetterndes Verdikt.
Gaius Memmius hatte keine Lust, ein Streitgespräch mit einem Mitglied der hohen Aristokratie zu beginnen, und ging in Marius’ Kielwasser davon. Er wollte Marcus Antonius in seiner gemieteten Villa auf dem Marsfeld besuchen und ihm die Ereignisse des Tages berichten. Während er hurtig ausschritt, wurde ihm klar, wie er und Marcus Antonius sich zusätzliche Pluspunkte in der Gunst der Wähler erwerben konnten. Wenn sich am übernächsten Tag die Zenturien versammelten, um sich die Vorstellung der Kandidaten für die kurulischen Ämter anzuschauen, mußten Marcus Antonius und er nur ihre Agenten unter die Wähler mischen, und die Agenten sollten die Nachricht vom baldigen Eintreffen der Getreideflotte so verbreiten, als ob man das den beiden Kandidaten für das Konsulat zu verdanken hätte. Die Erste und die Zweite Vermögensklasse mochten darüber jammern, daß die Getreidekäufe den Staat viel zuviel Geld kosteten, aber nachdem Memmius die Menschenmengen auf dem Forum gesehen hatte, zählte er darauf, daß auch die Reichen froh wären, wenn Roms hungrige Mäuler endlich gestopft wurden.
In der Morgendämmerung des Tages, an dem die Vorstellung der Kandidaten in der Saepta stattfinden sollte, machte sich Memmius auf den Weg vom Palatin
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