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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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sechshundertvierundfünfzig Jahren noch so viel Macht besaßen. Diesem Ansturm, der stärker war als die Invasion der Germanen, war man mit nichts anderem als ein paar Rutenbündeln auf der Schulter gewachsen! Und ich, dachte Gaius Marius, stehe hier mit meiner purpurgesäumten Toga und habe überhaupt keine Angst, nur weil ich diese Toga trage. Ich stehe hier und weiß, daß ich größer bin als jeder König, der je auf dieser Welt geherrscht hat. Denn ich habe keine Armee, innerhalb dieser Stadt tragen die Liktoren keine Beile zwischen den Ruten, ich habe keine persönliche Wache mit Schwertern. Und dennoch geben sie dem Symbol meiner Autorität den Weg frei - ein paar Stöckchen und ein formloses Stück Stoff, das mit ein bißchen Purpur gesäumt ist. Ja, ich bin lieber Konsul von Rom als König der Welt.
    Die Liktoren kamen von den Lautumiae zurück, kurz darauf war auch Lucius Equitius wieder da. Die Menge hatte ihn stillschweigend aus der Zelle befreit. Er hüpfte ohne großes Aufsehen auf die rostra , fast so, meinte Marius, als wollte er sich entschuldigen. Und da stand er, ein zitterndes Wrack, und wünschte sich an jeden anderen Platz der Welt außer diesem. Für Marius war die Botschaft der Masse eindeutig - füll meinen Eimer, ich bin hungrig, versteck mein Futter nicht.
    Inzwischen beeilte sich Saturninus mit der Wahl. Er war besorgt und wollte wiedergewählt sein, bevor etwas Unvorhergesehenes passieren konnte. Insgeheim malte er sich seine Zukunft in den leuchtendsten Farben aus. Der Jubel der Menge stieg ihm zu Kopf. Jubelten sie nicht nur deshalb Lucius Equitius zu, weil er wie Tiberius Gracchus aussah? Jubelten sie nicht Gaius Marius zu, diesem gebrochenen alten Dummkopf, weil er Rom vor den Barbaren gerettet hatte? Ja, aber ihm jubelten sie anders zu als Lucius Equitius oder Gaius Marius! Was für ein Material stellten sie für seine Zwecke dar! Das hier war nicht der Pöbel aus den letzten Löchern der Subura, diese Menge bestand aus respektablen Bürgern, deren Bäuche zwar leer waren, die aber ihre Prinzipien nicht aufgegeben hatten.
    Nacheinander traten die Kandidaten vor, und alle Tribus gaben ihre Stimmen ab. Die Wahlaufseher kritzelten eifrig, Marius und Saturninus beobachteten alles genau. Schließlich war der Zeitpunkt gekommen, wo man die Sache mit Lucius Equitius klären mußte. Marius schaute Saturninus an. Saturninus schaute Marius an. Marius blickte hinüber zu den Senatstreppen.
    »Ich frage dich, den Zensor Gaius Caecilius Metellus Caprarius«, rief Marius. »Soll ich weiterhin diesem Mann die Kandidatur verwehren, oder ziehst du deine Einwände zurück?«
    Caprarius wandte sich hilflos an Scaurus, der starrte auf den graugesichtigen Catulus Caesar, der wiederum starrte auf den pontifex maximus . Der blickte zu Boden. Eine lange Pause trat ein. Die Menge beobachtete schweigend das Geschehen, voller Faszination, aber ohne die leiseste Ahnung, was sich abspielte.
    »Laß ihn kandidieren!« rief Metellus Caprarius.
    »Laß ihn kandidieren«, sagte Marius zu Saturninus.
    Die Stimmen wurden ausgezählt. Lucius Appuleius Saturninus war zum dritten Mal an erster Stelle als Volkstribun gewählt worden, außer ihm wurden Cato Saloninanus, Quintus Pompeius Rufus, Publius Funus und Sextus Titius gewählt. Auf den zweiten Platz kam, mit nur drei oder vier Stimmen hinter Saturninus, der ehemalige Sklave Lucius Equitius.
    »Was für ein dienstbares Kollegium wir mit den Volkstribunen dieses Jahr haben werden!« höhnte Catulus Caesar. »Nicht nur ein Cato Salonianus, sogar ein echter Freigelassener!«
    »Die Republik ist tot!« Ahenobarbus, der pontifex maximus , warf Metellus Caprarius einen verächtlichen Blick zu.
    »Ja, was hätte ich denn tun sollen?« blökte Metellus Ziegenbock. Weitere Senatoren kamen herbei, und Sullas kämpferische Senatorensöhne, jetzt ohne ihre kriegerische Ausrüstung, tauchten aus dem Inneren der Curia auf. Die Senatstreppen schienen momentan der sicherste Platz zu sein - auch wenn immer deutlicher wurde, daß sich die Menschenmassen nun, wo ihre Helden gewählt waren, zerstreuten.
    Der junge Caepio spuckte ihnen nach. »Da geht er für heute hin, der Pöbel!« preßte er mit wutverzerrtem Gesicht hervor. »Schaut sie euch an! Diebe, Mörder, Männer, die ihre eigenen Töchter vergewaltigen!«
    »Sie sind kein Pöbel, Quintus Servilius«, sagte Marius mit strenger Miene. »Sie sind Römer, und sie sind arm, aber sie sind keine Diebe und Mörder. Und sie haben ihre

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