MoR 01 - Die Macht und die Liebe
hier, Erbe des Namens und der Ziele von Tiberius Gracchus! Und Gaius Servilius Glaucia, der so großartige Gesetze für mich entwirft, daß nicht einmal die Adligen, die den Senat beherrschen, etwas dagegen unternehmen können!« Er unterbrach sich, seufzte, streckte ihnen hilflos die Arme entgegen. »Und wenn wir tot sind, quirites , wer bleibt dann übrig, der sich um euch kümmern könnte? Wer wird den Kampf weiterführen? Wer wird sich mit den Bessergestellten anlegen, um eure Bäuche zu füllen? Niemand!«
Aus dem Knurren war ein lautes Kläffen geworden, Fäuste wurden geballt. Er hatte sie, jetzt konnte er mit ihnen machen, was er wollte. »Volk von Rom, es liegt an euch! Wollt ihr dabeistehen und zusehen, wie die, die ihr liebt und verehrt, getötet werden, lauter unschuldige Männer? Oder wollt ihr nach Hause gehen, euch bewaffnen, in jedes Haus in eurer Nachbarschaft gehen und Massen von Menschen herbringen?«
Die Leute wollten sich auf den Weg machen, aber Saturninus hielt sie mit überschlagender Stimme noch einmal zurück. »Kommt zu Tausenden und Abertausenden wieder. Kommt zu mir, vertraut mir. Vor der Abenddämmerung wird Rom euch gehören, weil es dann mir gehört. Dann werden wir schon sehen, wessen Bäuche voll werden! Dann brechen wir die Truhen auf und kaufen Getreide. Nun geht, bringt mir die ganze Stadt hierher, hierher ins Herz von Rom! Zeigt dem Senat und der Ersten und Zweiten Klasse, wer wirklich unsere Stadt und unseren Staat regiert!«
Die Menge stob unter unverständlichem Gebrüll in alle Richtungen davon - als ob ein einziger Hammerschlag Tausende kleiner Bälle getroffen hätte. Saturninus sackte zusammen und wandte sich auf der Rednerbühne zu seinen Anhängern um.
»Großartig«, schrie Saufeius und gab damit den Ton an.
»Wir werden gewinnen, Lucius Appuleius, wir gewinnen!« stimmte Labienus ein.
Begeistert klopften sie Saturninus auf die Schultern, majestätisch stand er in ihrer Mitte und dachte an seine glänzende Zukunft.
Und genau in diesem Moment brach Lucius Equitius in Tränen aus. »Aber was willst du denn tun?« heulte er und wischte sich mit einem Zipfel seiner Toga über das Gesicht.
»Was ich tun will? Hast du mich nicht verstanden, du Schwachkopf? Ich werde die Macht in Rom an mich reißen, was denn sonst!«
»Mit dem Haufen?«
»Wer stellt sich ihnen in den Weg? Und außerdem, sie werden mit Tausenden und Abertausenden wiederkommen. Wart’s nur ab, Lucius Equitius! Niemand wird etwas gegen uns unternehmen können!«
»Auf dem Marsfeld steht eine ganze Armee von Seesoldaten, zwei Legionen!« Lucius Equitius schniefte und zitterte.
»Noch nie ist eine römische Armee innerhalb der Stadtgrenzen von Rom aufmarschiert. Niemand, der einer römischen Armee befehlen würde, innerhalb der Stadtgrenzen von Rom aufzumarschieren, würde das überleben.« Verächtlich blickte Saturninus auf Lucius Equitius, dieses unvermeidliche Werkzeug. Sobald er an der Macht war, mußte Lucius Equitius gehen, und wenn er Tiberius Gracchus noch so ähnlich sah.
»Gaius Marius würde den Befehl geben«, schluchzte Equitius.
»Gaius Marius wird auf unserer Seite sein, du Narr!« sagte Saturninus abfällig.
»Die Sache gefällt mir nicht, Lucius Appuleius!«
»Sie muß dir auch nicht gefallen. Wenn du für mich bist, hör auf mit dem Geplärre. Wenn du gegen mich bist, werde ich das Geplärre beenden!« Bei diesen Worten machte Saturninus mit dem Finger eine Bewegung quer über die Kehle.
Gaius Marius gehörte zu den ersten, die auf die Hilferufe von Gaius Memmius’ Freunden herbeieilten. Nur wenige Minuten nachdem Glaucia und seine Genossen in Richtung Quirinal davongerannt waren, erreichte er den Ort des Geschehens und sah an die hundert Wähler der Zenturien in ihren Togen. Sie standen dicht gedrängt um das herum, was von Gaius Memmius übriggeblieben war. Die Schar teilte sich, um den ersten Konsul vortreten zu lassen, Schulter an Schulter mit Sulla starrte Gaius Marius auf den zu Brei zerschlagenen Kopf. Dann blickte er auf den blutgetränkten Knüppel, der daneben lag. Reste von Haaren, Muskeln, Haut und Knochen klebten noch daran.
»Wer hat das getan?« fragte Sulla.
Ein Dutzend Männer antworteten wie im Chor: »Gaius Servilius Glaucia.«
Sulla sog die Luft tief ein. »Er selbst?«
Alle nickten.
»Wißt ihr, wohin er gegangen ist?«
Diesmal gab es verschiedene Antworten. Sulla fand schließlich heraus, daß Glaucia und seine Bande durch das Sanqualis-Tor auf den
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