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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Quirinal entkommen waren. Da Gaius Claudius dabeigewesen war, schien es sehr wahrscheinlich, daß sie zu seinem Haus in der Alta Semita gerannt waren.
    Marius stand wie versteinert, den Kopf immer noch gesenkt, und blickte stumm auf Gaius Memmius hinab. Sulla berührte ihn leicht am Arm. Da zuckte er zusammen und wischte sich mit einer Falte seiner Toga die Tränen aus dem Gesicht. Wenn er mit der linken Hand nach einem Taschentuch gesucht hätte, wäre seine Unbeholfenheit zu offensichtlich geworden.
    »Auf dem Schlachtfeld ist so etwas normal. Auf dem Marsfeld vor den Stadtmauern Roms ist es abscheulich!« rief er den Umstehenden zu.
    Andere ältere Senatoren kamen dazu, unter ihnen der Senatsvorsitzende Marcus Aemilius Scaurus. Er streifte Marius’ tränenüberströmtes Gesicht mit einem Blick, sah zu Boden, und da stockte ihm der Atem.
    »Memmius? Gaius Memmius?« fragte er ungläubig.
    »Ja, Gaius Memmius«, sagte Sulla. »Von Glaucia höchstpersönlich umgebracht. Alle Zeugen bestätigen das.«
    Marius weinte wieder. Er versuchte gar nicht, die Tränen zu verbergen, als er Scaurus ansah. »Vorsitzender des Senats«, sagte er, »ich rufe den Senat sofort im Tempel der Bellona zusammen. Bist du einverstanden?«
    »Ich bin einverstanden«, sagte Scaurus.
    Nach und nach kamen Marius’ Liktoren. Der erste Konsul, für den sie verantwortlich waren, hatte sie trotz seiner Behinderung um mehrere hundert Schritte hinter sich gelassen.
    »Lucius Cornelius«, wandte sich Marius an Sulla, »nimm meine Liktoren, suche die Herolde, sag die Kandidatenvorstellung ab und schicke den Oberpriester des Mars zum Tempel der Venus Libitina. Er soll uns die heiligen Äxte, die zwischen die Rutenbündel gesteckt werden, in den Tempel der Bellona bringen. Dann ruf den Senat zusammen. Ich werde mit Marcus Aemilius vorausgehen.«
    »Das war doch ein fürchterliches Jahr«, sagte Scaurus. »Ja wirklich, trotz aller Veränderungen in der letzten Zeit erinnere ich mich an kein so fürchterliches Jahr seit dem letzten Lebensjahr von Gaius Gracchus.«
    Marius Tränen waren getrocknet. »Dann war es wohl wieder an der Zeit, nehme ich an«, sagte er.
    »Hoffen wir, daß es nicht noch zu schlimmeren Gewalttaten kommt.«
    Doch Scaurus hoffte vergebens, auch wenn zunächst alles ruhig schien. Der Senat kam im Tempel der Bellona zusammen. Die Senatoren besprachen den Mord an Memmius, viele hatten Glaucias Tat mit eigenen Augen beobachtet.
    »Und trotzdem«, sagte Marius fest entschlossen, »Gaius Servilius muß für dieses Verbrechen vor Gericht gestellt werden. Kein römischer Bürger darf ohne Gerichtsverfahren verurteilt werden, es sei denn, er erklärt Rom den Krieg, und das ist heute nicht der Fall.«
    »Ich fürchte doch, Gaius Marius«, keuchte Sulla, als er hereinstürzte.
    Alle starrten ihn an. Niemand sagte ein Wort.
    »Lucius Appuleius und eine Gruppe von Männern, darunter der Quästor Gaius Saufeius, haben das Forum Romanum besetzt«, berichtete Sulla. »Sie haben Lucius Equitius dem Pöbel vorgeführt, und Lucius Appuleius hat verkündet, daß er den Senat sowie die Erste und Zweite Vermögensklasse abschaffen will. Statt dessen soll das Volk unter seiner Führung regieren. Noch haben sie ihn nicht zum König von Rom ausgerufen, aber auf allen Straßen und Plätzen zwischen hier und dem Forum - das heißt überall! - ist davon die Rede.«
    »Darf ich das Wort ergreifen, Gaius Marius?« fragte der Senatsvorsitzende.
    »Sprich, princeps senatus .«
    »Wir haben einen Staatsnotstand«, sagte Scaurus mit leiser, aber deutlicher Stimme, »genau wie in den letzten Tagen von Gaius Gracchus. Damals wollten Marcus Fulvius und Gaius Gracchus ihre gefährlichen Ziele mit Gewalt durchsetzen, und auch damals fand eine Debatte in diesem Hause statt, mit derselben Frage: Braucht Rom einen dictator , um mit einer so akuten Krise fertig zu werden? Wie es weiterging, ist in den Geschichtsbüchern festgehalten. Der Senat lehnte es ab, einen Diktator zu ernennen, statt dessen verabschiedete er so etwas wie eine letzte Anordnung - das Senatus consultum de re publica defendenda . Durch diesen Beschluß ermächtigte der Senat die Konsuln und Magistrate, den Staat mit allen ihnen nötig erscheinenden Mitteln zu verteidigen. Man sprach ihnen im voraus Immunität gegen Strafverfolgung zu und verbot den Volkstribunen, ihr Veto einzulegen.«
    Er hielt inne und blickte ernst in die Runde. »Ich schlage vor, Senatoren, daß wir in der gegenwärtigen Krise

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