MoR 01 - Die Macht und die Liebe
nichts Vergleichbares erinnern.
Überall gab es Läden, kleine Imbißstuben, die offenbar florierten - es schien genügend Geld im Umlauf. Dazwischen sah er Bäckereien, Metzgereien, Weinstuben und andere kleine Geschäfte, in denen alle möglichen Artikel verkauft wurden - vom Garn über Kochtöpfe und Lampen bis hin zu Talgkerzen. Es gab auch Fabriken. Bomilkar hörte Pressen stampfen, Mühlräder knirschen und Webstühle klappern, und der Lärm der Fabriken vermischte sich mit weiteren Geräuschen, die aus dem unergründlichen Gewirr dunkler Nebengassen und vielstöckiger Wohngebäude drangen. Wie konnten Menschen inmitten dieses Getümmels leben? Auch die kleinen Plätze an den größeren Kreuzungen waren dicht mit Menschen besetzt. Bomilkar bemerkte erstaunt, daß sie es sogar schafften, in den Brunnen ihre Wäsche zu waschen oder Wassereimer nach Hause zu schleppen.
Anderswo sah er freilich auch Männer tatenlos herumsitzen, trinken und sich die Zeit vertreiben. Solche Orte schienen hauptsächlich an den großen Durchgangsstraßen zu liegen, aber er war sich nicht ganz sicher, da er nicht wagte, die Hauptstraße zu verlassen. In den düsteren Höhlen der Tavernen an den Kreuzungen herrschte relative Ruhe. Bomilkar war ein großer, kräftiger Mann, und er erkannte, daß er sich in eine Taverne wagen mußte, wenn er weiterkommen wollte. Schließlich war er in die Subura gekommen, um einen römischen Attentäter zu finden, und das hieß, daß er mit Einheimischen ins Gespräch kommen mußte.
Er bog von der Subura Major in den Vicus Patricii ein, eine Hauptstraße, die zum Viminal führte, und fand eine Taverne an einem dreieckigen Platz, an dem die Subura Minor und der Vicus Patricii zusammenliefen. Die Tür war so niedrig, daß er den Kopf einziehen mußte. Als er eintrat, drehten sich alle Anwesenden nach ihm um. Es befanden sich ungefähr fünfzig Personen in dem Raum.
Das Stimmengewirr verstummte.
»Entschuldigt bitte«, sagte Bomilkar. Ohne sich seine Nervosität anmerken zu lassen, blickte er sich um. Wer führte hier wohl das Kommando? Nach der ersten Überraschung über das Auftauchen des Fremden schauten alle auf einen Mann in der linken hinteren Ecke, der aussah wie ein Anführer. Er hatte ein eher römisches als griechisches Gesicht, war klein und ungefähr fünfunddreißig Jahre alt. Bomilkar musterte ihn. Da er kein Latein konnte, mußte er sich mit Griechisch behelfen.
»Entschuldigt bitte«, wiederholte er. »Ich hoffe, ich störe hier nicht. Ich suche nach einer Taverne, in der ich mich ein wenig ausruhen und einen Becher Wein bekommen kann. Gehen macht durstig.«
»Das hier ist ein privater Verein, Freund«, sagte der Anführer in fürchterlich gebrochenem, aber gerade noch verständlichem Griechisch.
»Gibt es keine öffentlichen Tavernen?« fragte Bomilkar.
»Nicht in der Subura, Freund. Du bist hier am falschen Ort. Geh zur Via Nova zurück.«
»Ich kenne die Via Nova, aber ich bin fremd in Rom. Ich denke immer, daß ich eine Stadt erst richtig kenne, wenn ich in dem Viertel war, das am dichtesten bevölkert ist.« Bomilkar versuchte, einfältig wie ein Tourist und unwissend wie ein Fremder zu erscheinen.
Der Anführer betrachtete ihn mit schlauer Berechnung von oben bis unten. »Du bist also so durstig wie wir, Freund?«
Bomilkar griff das Stichwort dankbar auf. »Durstig genug, um eine Runde auszugeben.«
Der Anführer stieß den neben ihm sitzenden Mann vom Stuhl und schlug mit der Hand darauf. »Wenn meine ehrbaren Kumpel einverstanden sind, ernennen wir dich vielleicht zum Ehrenmitglied.« Er blickte sich um. »Wer damit einverstanden ist, daß dieser Herr Ehrenmitglied wird, sagt ja.«
»Ja! « tönte es im Chor.
Bomilkar sah weder eine Theke noch einen Wirt. Er atmete tief ein und warf seine Börse auf den Tisch, so daß ein paar silberne Denare herausrollten. Entweder würden sie ihn jetzt töten und sein Geld nehmen, oder er war tatsächlich Ehrenmitglied geworden. »Darf ich?« fragte er den Anführer.
»Bromidus, hol eine schöne, große Flasche für den Herrn und die Mitglieder«, sagte der Anführer zu dem Mann, den er vom Stuhl gestoßen hatte. »Unsere Weinstube ist gleich nebenan«, erklärte er.
Bomilkar nahm noch ein paar Denare aus der Börse. »Ist das genug?«
»Für eine Runde ist es genug, Freund.«
Bomilkar schüttelte noch einige Münzen auf den Tisch. »Wie wär’s gleich mit mehreren Runden?«
Ein allgemeines Aufseufzen war zu vernehmen. Bromidus
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