MoR 01 - Die Macht und die Liebe
nahm das Geld und verschwand durch die Tür. Drei eifrige Helfer folgten ihm. Bomilkar streckte dem Anführer sein Hand hin.
»Ich heiße Juba«, sagte er.
»Lucius Decumius«, stellte sich der Anführer vor und schüttelte kräftig die dargebotene Hand. »Juba! Was für ein Name ist das denn?«
»Mauretanisch. Ich komme aus Mauretanien.«
»Maure-was? Wo ist das?«
»In Africa.«
»Africa?« Wenn Bomilkar das sagenhafte Land der Hyperboreer genannt hätte, hätte das Decumius Lucius ebensoviel - oder ebensowenig - bedeutet.
»Das ist weit weg von Rom«, erklärte das neue Ehrenmitglied. »Westlich von Karthago.«
»Ach, Karthago! Warum sagst du das nicht gleich?« Lucius Decumius starrte das Gesicht dieses interessanten Fremden an. »Ich habe nicht gewußt, daß Scipio Aemilianus einen von euch am Leben gelassen hat.«
»Hat er auch nicht. Mauretanien ist nicht Karthago, sondern liegt weiter westlich«, erklärte Bomilkar geduldig. »Was früher Karthago hieß, ist jetzt die Römische Provinz Africa. Dorthin geht der diesjährige Konsul - du weißt, Spurius Postumius Albinus.«
Lucius Decumius zuckte die Schultern. »Konsul? Die kommen und gehen, Freund. In der Subura macht das keinen Unterschied, sie leben nicht hier, verstehst du. Solange du zugibst, daß Rom die Welt beherrscht, Freund, bist du hier in der Subura willkommen. Das gilt auch für die Konsuln.«
»Glaub mir, ich weiß, daß Rom über die Welt herrscht«, sagte Bomilkar im Brustton der Überzeugung. »Mein Herr - König Bocchus von Mauretanien - hat mich nach Rom geschickt. Ich soll den Senat bitten, ihn zum Freund und Verbündeten des Volkes von Rom zu ernennen.«
In diesem Moment kam Bromidus mit einem riesigen Krug zurück, gefolgt von seinen drei Helfern, die ebenfalls große Krüge trugen. Sie machten sich sogleich daran, den Inhalt unter den Anwesenden zu verteilen, und bald stand ein randvoll gefüllter Becher vor Bomilkar. Er hob ihn hoch und brachte einen Trinkspruch aus: »Für die besten Freunde, die ich bisher in Rom gefunden habe.« Dann schüttete er den furchtbaren Rebensaft hinunter. Oh ihr Götter! Die Eingeweide dieser Männer mußten aus Stahl sein.
»Auf dein Wohl, Juba, alter Freund!« sagte Decumius.
»Juba!« brüllten die anderen im Chor. Sie waren in guter Stimmung.
In der nächsten halben Stunde erfuhr Bomilkar mehr über das plebejische Rom, als er sich je hätte träumen lassen. Alle Mitglieder des Vereins waren Arbeiter. Einige von ihnen, ungefähr ein Viertel, trugen kleine, konische Kappen auf dem Hinterkopf, die sie als Freigelassene kennzeichneten. Bomilkar erfuhr zu seinem Erstaunen, daß einige der übrigen Männer noch immer Sklaven waren, obwohl sie den anderen gleichgestellt schienen, dieselben Arbeiten verrichteten, denselben Lohn erhielten und dieselbe Arbeitszeit und Freizeit hatten. Er begann den Unterschied zwischen einem Sklaven und einem Freien zu verstehen: Ein freier Mann konnte gehen, wohin er wollte, und Wohnung und Arbeit frei wählen. Ein Sklave hingegen gehörte seinem Besitzer, war dessen Eigentum, konnte also sein eigenes Leben nicht bestimmen. Das war ganz anders als die Sklaverei in Numidien.
Lucius Decumius arbeitete, anders als die übrigen Mitglieder, nur für den Verein.
»Ich bin der Vereinsvorsteher«, sagte er, noch immer genauso nüchtern wie beim ersten Schluck.
»Was für ein Verein ist das hier eigentlich?« fragte Bomilkar, der versuchte, seinen Becher so langsam wie möglich zu leeren.
»Klar, daß du das nicht weißt«, sagte Lucius Decumius. »Wir sind ein Kreuzwegverein. Eine richtige Bruderschaft, eigentlich sogar eine Art Schule. Wir sind bei den Ädilen und beim Stadtprätor registriert, und der Pontifex Maximus hat uns seinen Segen gegeben. Vereine an Straßenkreuzungen gab es schon zu Zeiten der Könige, bevor Rom eine Republik wurde. Heute ist an den Kreuzungen wichtiger Straßen viel los. An richtigen compita , meine ich, nicht an kleinen Nebensträßchen und Gassen. Ja, an den Kreuzungen ist viel los. Stell dir mal vor, du bist ein Gott und schaust auf Rom herunter. Da müßtest du doch auch überlegen, wohin du nun deinen Blitz schleudern willst. Von oben ist Rom ein großer Haufen roter Dächer, die so eng beieinanderliegen wie Mosaiksteinchen. Aber wenn du genau hinschaust, siehst du die freien Stellen, wo sich die großen Straßen kreuzen. Das sind die compita , wie wir hier draußen eine haben. Wenn du ein Gott wärst, würdest du deinen Blitz
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