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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Samniten von allen italischen Stämmen immer noch die hartnäckigsten Feinde Roms. Die Einwohner Arpinums hatten erst vor achtundsiebzig Jahren von Rom die vollen Bürgerrechte erhalten, und der Bezirk besaß nach wie vor keine volle Selbstverwaltung.
    Die Gegend war freilich wunderschön! Ein fruchtbares Tal am Fuß des Appenin, eingefaßt von den beiden Flüssen Liris und Melfa. Dort gediehen die köstlichsten Trauben, zum Essen wie zum Keltern gleichermaßen geeignet, die Ernten fielen überreichlich aus, die Schafe waren dick und ihre Wolle außergewöhnlich fein. Ein friedliches, grünes, verträumtes Land. Im Sommer war es dort angenehm kühl, im Winter hingegen wärmer, als man erwartet hätte. Die beiden Flüsse waren fischreich, und die dichtbewaldeten Berge um Arpinum lieferten immer noch vorzügliches Holz für den Bau von Schiffen und Häusern. Kiefern und Pinien wuchsen dort, und Eichen, deren Früchte im Herbst den Boden bedeckten und Wildschweinen zur Nahrung dienten. An jeder vornehmen Tafel in Rom schätzte man die fetten Schinken, Speckseiten und Würste aus Arpinum.
    Die Familie des Gaius Marius lebte schon seit vielen hundert Jahren in Arpinum, stolz auf ihre latinische Abstammung. War Marius etwa ein volskischer oder samnitischer Name? Hatte er einen oskischen Beiklang, nur weil es auch Volsker und Samniten gab, die Marius hießen? Mitnichten! Marius war ein lateinischer Name. Er, Gaius Marius, konnte es sehr wohl mit diesen hochnäsigen, arroganten Adligen aufnehmen, die sich einen Spaß daraus machten, ihn zu demütigen. Mehr als das - er fühlte genau, daß er ihnen allen überlegen war.
    Dieses Gefühl verfolgte ihn wie ein ungebetener Gast, der nicht weicht, mochte man ihn noch so ungastlich behandeln. Seit langer Zeit schon nagte es in ihm, lange genug, um sich über seine Nutzlosigkeit klarzuwerden. Nach so vielen Jahren hätte an seine Stelle eigentlich Resignation treten müssen, doch Marius hatte nicht resigniert. Das Gefühl der Überlegenheit war lebendig und ungebrochen wie eh und je.
    Nachdenklich betrachtete Gaius Marius an diesem trüben, regnerischen Morgen die starren Gesichter der in purpurgesäumte Togen gekleideten Senatoren. Wie merkwürdig die Welt doch war! Keiner von ihnen konnte einem Tiberius oder Gaius Sempronius Gracchus das Wasser reichen, und wenn man von Marcus Aemilius Scaurus und Publius Rutilius Rufus absah, blieb nur eine Schar recht unbedeutender Männer. Und doch behandelten sie ihn, Gaius Marius, als sei er ein aufgeblasener Niemand, tüchtig zwar, aber ohne wirkliches Format. Nur weil in ihren Adern das richtige Blut floß. Sie alle gingen wie selbstverständlich davon aus, daß einmal ihre Stunde kommen und sie die Herren Roms sein würden, die »Ersten« - Scipio Africanus, Aemilius Paulus, Scipio Aemilianus und vielleicht ein Dutzend anderer in der viele Jahrhunderte alten Geschichte der Republik waren so genannt worden.
    Der Erste war nicht notwendig der Beste. Er war der Erste unter seinesgleichen, unter Männern, die demselben Stand entstammten und dieselben Chancen gehabt hatten wie er. Der Erste Mann von Rom, das bedeutete viel mehr als die Königskrone, mehr als Autokratie, Despotismus oder wie auch immer man es nennen mochte. Ein solcher Mann zeichnete sich durch seine überragenden Qualitäten vor allen anderen aus, wußte aber zugleich, daß er viele Rivalen hatte, die begierig waren, ihn auszustechen, und das auch legal und ohne Blutvergießen konnten, indem sie bewiesen, daß sie ihn an Tüchtigkeit noch übertrafen. Der Erste Mann von Rom, das bedeutete auch mehr als das Amt des Konsuls. Konsuln kamen jedes Jahr zwei neue, aber in der langen Geschichte der Republik hatte das Volk nur wenigen als den Ersten im Staate zugegejubelt.
    Gegenwärtig gab es keine Männer, die sich so auszeichneten, und seit dem Tod des Scipio Aemilianus vor neunzehn Jahren hatte es keine mehr gegeben. Marcus Aemilius Scaurus entsprach noch am ehesten den Anforderungen, doch fehlte es ihm an Macht oder vielmehr auctoritas , jener für Rom so charakteristischen Mischung aus Macht, Autorität und Ruhm. Niemand sprach Marcus Aemilius mit diesem Titel an, nur er selbst benutzte ihn manchmal.

    Wie auf ein Stichwort ging in diesem Augenblick ein Murmeln durch die Reihen der Senatoren. Der ältere Konsul, Marcus Minucius Rufus, hatte soeben dem großen Gott den weißen Stier als Opfer darbringen wollen, aber das Tier hatte gescheut, vielleicht weil es in böser Vorahnung

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