Mord am Vesuv
eintauschen?«
»Klingt vernünftig«, müsste ich gestehen. Dann fiel mir ein, warum ich den Sklavenhändler überhaupt zu mir gebeten hatte.
»Da ist noch etwas, worüber ich mit dir reden muss, Gaeto, auch wenn es nicht im Rahmen meiner offiziellen Aufgaben liegt. Ich fürchte, dein Sohn ist auf bestem Wege, sich Ärger einzuhandeln.«
Der Sklavenhändler runzelte die Stirn, wodurch sich seine prägnanten Gesichtszüge augenblicklich verfinsterten. »Ärger, wieso? Hat er dich etwa beleidigt? Dann erhält er eine Tracht Prügel, die er zeit seines Lebens nicht vergessen wird.«
»Nein, nein, nichts dergleichen«, versuchte ich ihn zu beruhigen. »Aber mir scheint, als würde sich zwischen deinem Sohn und der Tochter des Apollopriesters etwas anbahnen. Ich meine den Priester auf dem Anwesen, das ich erben w … wo ich zurzeit wohne.«
Seine Stirn glättete sich, und sein finsterer Gesichtsausdruck machte einem breiten Grinsen Platz. »Unbeschwerte, gut betuchte junge Männer pflegen nun mal hübsche junge Frauen zu umwerben. Das ist doch das Natürlichste von der Welt.«
»Ob es natürlich ist oder nicht, spielt in diesem Fall keine Rolle«, entgegnete ich. »Du bist und bleibst hier nun mal ein Ausländer, wohingegen die Bewohner dieser Region römische Bürger sind, und zwar auch die Griechen und die Samniten. Der Priester ist ein Aristokrat und stammt aus einer alten ehrwürdigen Familie, während dein Berufsstand - wie soll ich sagen? - nicht gerade zu den angesehensten zählt. Dein Sohn läuft unweigerlich Gefahr, den Groll seiner Mitmenschen auf sich zu ziehen. Man wird die alten Geschichten über Jugurtha und den jugurthinischen Krieg wieder ausgraben, und ehe du dich versiehst, setzt der hiesige Mob dein Haus in Brand und steinigt dich, wenn du dich mit brennenden Kleidern am Leib zu retten versuchst, und das alles wäre wirklich ziemlich ärgerlich, denn als derjenige mit Imperium stünde es allein mir zu, Soldaten zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung anzufordern, und das würde ich natürlich in der Tat tun müssen, und dann wäre plötzlich ich derjenige, der den Hass auf sich zieht, und das wiederum würde meine Familie gar nicht gerne sehen, denn immerhin würde ich damit eine beträchtliche Anzahl von Wählern vergrätzen.« Diesen letzten Satz ratterte ich in einem einzigen Atemzug herunter, meine Rednerausbildung hatte also durchaus Früchte getragen.
Sein Gesicht verfinsterte sich wieder. »Verstehe. Ich rede mit meinem Sohn.« Doch im nächsten Augenblick lächelte er erneut. »In drei Tagen richtet die Stadt Baiae zu deinen Ehren ein Festgelage aus. Spätestens dort sehen wir uns wieder.«
»Das freut mich.«
»Ich vermute, das Fest dürfte für dich zu einer recht erhellenden Veranstaltung werden.«
Mit dieser rätselhaften Andeutung schritt er würdevoll von dannen.
Ich glaube, ich kann vorbehaltlos behaupten, dass Baiae der schönste Ort Italias ist. Seine Lage an der Sinus Baienus, einer wunderschönen kleinen Meeresbucht, ist unübertrefflich: Bis Cumae sind es etwa acht Meilen, und bis zu meinem neuen und, wie ich hoffte, bald ständigen Wohnsitz war es auch nicht viel weiter. Als Cumae noch unabhängig war, hatte Baiae der Stadt als Hafen gedient. Die herrliche Umgebung, das gesunde Klima und die heißen Quellen hatten schon seit Jahrhunderten angesehene und reiche Männer veranlasst, dort ihre Landhäuser zu errichten, und in den heißen Sommermonaten verwandelte sich Baiae alle Jahre wieder in den beliebtesten Badeort der Römer.
Gleichzeitig stand das Städtchen aber auch in dem Ruf, eine Stätte des Luxus und des Lasters zu sein, und das war es natürlich, was auf mich den größten Reiz ausübte. Seit der Zerstörung Sybaris' stand Baiae bei allen Wüstlingen, Lüstlingen und Genusssüchtigen unangefochten an der Spitze.
Das ausschweifende Leben pulsiert dort Tag und Nacht, und das ist nur durch ein Wunderwerk möglich, das in Rom gänzlich unbekannt ist: eine funktionierende Straßenbeleuchtung. In Baiae sorgt eine Schar unermüdlicher Staatssklaven dafür, dass die Leuchten und Fackeln während der dunklen Stunden nie erlöschen. Als Cato das hell erleuchtete nächtliche Baiae zum ersten Mal sah, soll er empört ausgerufen haben: »Nachts haben die Menschen gefälligst zu schlafen!«
Man kann sich kaum eine Stadt vorstellen, die sich stärker von Rom unterscheidet. In Baiae sind alle Straßen breit, abschüssige oder ansteigende Wege gibt es nicht. Damit die
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