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Mord an der Leine

Mord an der Leine

Titel: Mord an der Leine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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platziert. Gegenüber standen vor einer Bäckereifiliale drei
Tische, an denen ein paar Unentwegte ihren Kaffee tranken.
    Was erregt dich?, fragte sich Havenstein. Du bist
überarbeitet. Du befindest dich in einer friedlichen Kleinstadt an der Ostsee.
Um dich herum herrscht reges Treiben. Wer wird dich in einer solchen
Menschenmenge ansprechen oder gar belästigen wollen? Außerdem konnte niemand
wissen, womit er sich gerade beschäftigte. Darüber hatte Havenstein absolutes
Stillschweigen gewahrt.
    Instinktiv bog er ab und betrat die Buchhandlung. Sie
war ohnehin sein Ziel gewesen. Er hatte zwei Bücher bestellt, die er heute
abholen wollte. Beim Betreten des Geschäfts warf er einen Blick über die
Schulter zurück. Sein Gefühl hatte nicht getrogen. Der Fremde hatte aufgeholt
und war ihm näher gekommen.
    Die Buchhandlung war einer jener Läden, die Havenstein
liebte. Sie bot auf engem Raum nicht nur ein breites Sortiment an Lesestoff,
sondern auch Bürobedarf und Geschenkartikel an. Wie häufig bei seinen Besuchen
war der Laden gut besucht.
    Die Filialleiterin stand hinter dem Kassentresen zur
Linken und sah kurz auf, als er mit eiligem Schritt an ihr vorbeihastete. Sie
zog eine Augenbraue fragend in die Höhe.
    »Herr Havenstein …«, sagte sie. Es klang ein wenig
erstaunt.
    Er ließ ihren Gruß unerwidert. Havenstein wusste, dass
sein Verfolger es auf ihn abgesehen hatte. Er wollte sich nicht der Diskussion
mit jemandem aussetzen, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Dies war seine
Stadt. Man kannte ihn. Die Demütigung, dass ihm jemand womöglich für Dritte
sichtbar eine Warnung zukommen ließ, wollte er nicht über sich ergehen lassen.
Havenstein verließ den Läufer, der von der Eingangstür ins Ladeninnere führte,
und setzte seinen Weg, nein, eigentlich war es schon fast eine Flucht, nach
rechts über den hellen Holzfußboden fort. Den Ständer mit zusammengerollten
Landkarten und die Leuchtturmnachbildung, die als Verkaufshilfe für Karten
diente, beachtete er nicht. Ein paar Schritte weiter führten zwei Stufen in den
hinteren Teil des Geschäfts. Eine Rampe bot auch Rollstuhlfahrern die
Möglichkeit, in diesem Teil der Buchhandlung zu stöbern.
    Havenstein wusste, dass kurz vor den Stufen eine Tür
ins Treppenhaus führte. Von dort gelangte man durch einen Gang in den
Hinterhof. Mit diesem Teil der Stadt war er vertraut. Dort war er sicher und
konnte Ecken und Nischen nutzen. Doch dazu bedurfte es eines geringen Vorsprungs.
Sein Verfolger war ihm zu dicht auf den Fersen. Er würde die Tür nicht
ungesehen erreichen. Hier, im Geschäft, fühlte er sich sicher.
    Noch einmal drehte sich Havenstein um. Er verstand
seine plötzlich aufkommende Panik nicht. Es gab keinen Grund. Nicht hier. Nicht
in Deutschland. Er vermeinte, den Atem des Verfolgers im Nacken zu spüren. Sein
Abbiegen in die Buchhandlung und die kurzfristige Beschleunigung des Tempos
hatten den Abstand zu dem Mann anwachsen lassen.
    Stufe oder Rampe? Havenstein war mit dem Gedanken bei
dem Fremden, sodass er sich nicht entscheiden konnte. Mit dem rechten Bein war
er auf der Rampe, mit dem linken wollte er die Stufe nehmen. Dabei kam er ins
Stolpern, versuchte sich zu fangen, rutschte mit dem rechten Fuß ab und fiel
nach vorn. Er konnte seine Arme vorstrecken und den Sturz abfedern, sodass er
auf den Knien landete und sich schmerzhaft die Schienbeine an der Kante der
obersten Stufe stieß. Mit den Händen stützte er sich ab. Das alles geschah in
Bruchteilen von Sekunden.
    Erneut drehte er den Kopf nach hinten und sah in das
Gesicht des Mannes, in die dunklen Augen, die ihn kalt musterten. Sie schienen
Havenstein zu vermessen, jedes Detail des am Boden hockenden Mannes
aufzunehmen. Kein Muskel zuckte in dem Gesicht, kein Lidschlag verriet etwas
über die Gedanken des Verfolgers. Die Lippen waren zu einem schmalen Strich
zusammengepresst. Nur dieses Detail zeugte von der gewaltigen Anspannung des
Fremden.
    Havenstein wollte sich aufraffen, wurde aber durch
eine Bewegung des Mannes abgelenkt. Er sah, wie der Fremde ohne jede Hast den
Zipfel seiner Jacke zur Seite zog, in aller Seelenruhe einen schweren Revolver
hervorzog und auf ihn zielte.
    Den Schuss hörte Robert Havenstein nicht mehr.
    * * *
    Es hatte nur Minuten gedauert, bis sich die Bluttat in
der kleinen lebhaften Stadt herumgesprochen hatte. Vor dem Eingang der
Buchhandlung hatte sich eine dichte Menschentraube gebildet. Erregt wurden
Mutmaßungen darüber ausgetauscht, was sich

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