Mord an der Leine
verwendet.«
»Wenn der weibliche Gast nur gelegentlich hier war«,
ergänzte Vollmers, »dann aber regelmäßig. Ein einmaliger Besuch dürfte kaum
seine Kosmetiksachen hinterlassen.«
Vollmers sah sich um. Auch hier hingen Grafiken an den
mit Textil tapezierten Wänden. Am Kopfende des Bettes befand sich eine Art
Display. »Was ist das?«
Horstmann zuckte die Schultern. »Ich vermute, eine
dieser neumodischen Einrichtungen. Damit ist die ganze Wohnung verkabelt. Du
kannst von deinem Handy aus zu Hause anrufen und dem Herd Bescheid sagen, dass
er die Kartoffeln kochen soll. Über das Bussystem wird alles gesteuert. Die
Beleuchtung, Fernseher und Stereoanlage, die Heizung und
was-weiß-ich-noch-alles.«
Auch dieser Raum war mit einem flauschigen weißen
Teppich ausgelegt.
Im Wohnzimmer standen elegante weiße Ledermöbel. Sie
mochten sicher teuer sein, ebenso wie die Glastische und Glasmöbel. Auf
Vollmers wirkte die Einrichtung kalt und unpersönlich.
»Der Damenbesuch scheint gestern Abend nicht hier
gewesen zu sein«, sagte Vollmers und zeigte auf ein einzelnes benutztes
Whiskyglas aus schwerem Kristall und eine angebrochene Flasche Single Malt.
Dann zog er die Nase kraus. »Gut riecht das nicht.«
Er wies auf den überquellenden Aschenbecher.
Havenstein schien sich nicht der Mühe unterzogen zu haben, ihn zu leeren. Der
Gestank von kaltem Rauch hing in der ganzen Wohnung und hatte sich auch in den
schweren Vorhängen, in den lose auf dem Parkett liegenden Gabbehs und im Leder
festgesetzt.
Ein überdimensionierter Flachbildfernseher, mehrere
Festplattenrekorder und eine Stereoanlage aus dänischer Produktion
vervollständigten die Einrichtung.
Im Unterschied zu den anderen Räumen war die
Gästetoilette schlicht eingerichtet. Vollmers schmunzelte, als er neben dem WC einen aufgeschlagenen Krimi und das
ebenfalls aufgeschlagene bekannte Nachrichtenmagazin entdeckte. Er beugte sich
hinab. Havenstein schien als letzte Lektüre einen Artikel über angebliche
Machenschaften korrupter deutscher Manager gelesen zu haben. Erst auf den
zweiten Blick entdeckte Vollmers, dass Robert Havenstein auch der Verfasser des
Berichts war.
Zum Schluss inspizierten die beiden Beamten das
Arbeitszimmer. Im Unterschied zu den anderen Räumen sah es hier wüst aus.
Überall lagen Papiere herum, auf dem Fußboden, auf dem Schreibtisch, in den
Regalen. Die Wände waren umlaufend mit Bücherregalen vollgestopft, in denen
dicht an dicht Bücher, Aktenordner und DVD -Hüllen
lagen. Vollmers konnte keine Ordnung erkennen. Alles schien heillos
durcheinander.
»Ist das die kreative Unordnung des Hausherrn, oder
hat jemand darin herumgewühlt?«, fragte Horstmann.
»Ich vermute, dass Havenstein selbst dieses Chaos
angerichtet hat«, sagte Vollmers und wies auf einen auf dem Boden liegenden
Aschenbecher, dessen Inhalt sich großflächig vor dem Schreibtisch verteilt
hatte. »Unser Toter war starker Raucher. Und hier hat er gearbeitet.«
»Dann müssten wir mit viel Geduld doch herausbekommen,
woran er gearbeitet hat«, sagte Horstmann.
Vollmer schüttelte den Kopf und zeigte auf mehrere
lose herumhängende Kabel. »Wo speichert man heute seine Gedanken ab?«
Der Oberkommissar überlegte einen Moment. »Das gute
alte Notizbuch ist tot. So tot wie Havenstein. Und die Ideen werden
professionell sicher auf einer Festplatte gespeichert.«
»Gut«, lobte Vollmers seinen Kollegen. »Und? Siehst du
auch nur einen Computer? Ein Notebook? Oder ein anderes Speichermedium?«
»Nee«, bestätigte Horstmann. »Dann wissen wir, was der
Täter gesucht und auch gefunden hat. Er war hinter Havensteins Aufzeichnungen
her.«
»Das wird ein dickes Ding«, sagte Vollmers leise, mehr
zu sich selbst.
Lust auf mehr?
Diesen und viele weitere Krimis finden Sie auf unserer Homepage unter
www.emons-verlag.de
Weitere Kostenlose Bücher