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Mord an der Mauer

Mord an der Mauer

Titel: Mord an der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Keil
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vorbestraft sind und sich seit 1962 nichts Nennenswertes haben zuschulden kommen lassen, setzt das Gericht die Haftstrafen zur Bewährung aus. Rolf Friedrich und Erich Schreiber verlassen das Gericht als freie Männer, wenn auch formal vorbestraft. Die Nebenklägerin Ruth Fechter akzeptiert das Urteil ebenso wie Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Es stellt einen Endpunkt dar: Der Aufklärung ist Genüge getan. Sühne bleibt ein weites Feld.
    Als wichtiger erweist sich das Gedenken. Zum Jahrestag des Mauerbaus 1999 ist das neue Fechter-Denkmal vollendet, eine 2,60 Meter hohe rostrote Säule aus Stahl, in die der Name des Opfers, sein Geburts- und Todesjahr sowie der einfache Satz »… er wollte nur die Freiheit« eingraviert sind. Der Bildhauer Karl Biedermann hat es entworfen, die Axel Springer AG trägt die Kosten. Zusätzlich ist im Asphalt der Zimmerstraße die Stelle markiert, an der Fechter gelegen hat. Das alte Kreuz kommt in das private Mauermuseum Haus am Checkpoint Charlie. Zur Berliner Wirklichkeit aber gehört auch, dass parkenden Autos nur der Stellplatz direkt vor der Gedenksäule mit Pollern versperrt ist – die neun benachbarten Parkbuchten sind nahezu immer genutzt, auch wenn sich Biedermann öffentlich gewünscht hat, wenigstens einige Stellplätze links und rechts seines Mahnmals ebenfalls zu sperren, um den Passanten den Blick auf die Stele zu erleichtern. Neun Parkplätze weniger aber sind dem Bezirk Mitte für das Gedenken offenbar zu viel.
    Auch Heinrich Mularczyk ist ungewollt Teil des Gedenkens. Zu fast jedem Jahrestag drucken die Zeitungen das Foto, auf dem er den sterbenden Peter Fechter zum Polizeiwagen trägt. Noch immer löst es unangenehme Erinnerungen aus. Der pensionierte Polizist fragt sich, was die Angehörigen ihm wohl sagen würden. Getroffen haben sie sich weder beim Prozess noch danach. Seine Kinder und Enkel fragen ihn, wie er die Situation erlebt hat, Anfragen von außen hat er sich ein halbes Jahrhundert lang verweigert. Mularczyk hat Peter Fechter helfen wollen, ihn aber bis heute nicht verstanden. Denn er sagt, Fechter hätte wissen müssen, dass an der Grenze geschossen wird, in welche Gefahr er sich begebe und ihm niemand die Verantwortung abnehmen könne. Als der Künstler Florian Brauer 2011 eine goldfarbene Skulptur gestaltet, die das berühmte Foto nachempfindet, will Mularczyk sich das Werk ansehen. Doch als er die Skulptur kurz nach der Aufstellung an der Bernauer Straße besichtigen möchte, steht das Standbild schon nicht mehr. Unbekannte haben es in der Nacht zuvor umgestoßen. Ein Bekennerschreiben gibt es nicht, die Polizei sieht keinen Anhaltspunkt für politische Hintergründe. Brauers Arbeit ist künftig nur noch in einem privaten Museum des Berliner Unterwelten e.V. zu sehen.
    Ein halbes Jahrhundert nach Peter Fechters Tod ist es zur Tradition geworden, dass die obersten Repräsentanten des Landes Berlin an jedem 13. August am Peter-Fechter-Denkmal zu Kranzniederlegung und Schweigeminute erscheinen. Obwohl die Hauptstadt seit 1998 an der Bernauer Straße über ihr eigenes, offizielles und viel größeres Mahnmal für die Opfer der Mauer verfügt, kommen der Regierende Bürgermeister und der Präsident des Abgeordnetenhauses fast jedes Jahr in die Zimmerstraße. Auch Friede Springer ist immer dabei. Ebenso nimmt Gisela Geue stets teil, seit dem Tod ihrer Schwester Ruth 2005 allein, jedes Mal kostet es sie Überwindung. Es ist eine Verbeugung vor Peter Fechter, der sterben musste, nur weil er in Freiheit leben wollte.



Nachwort
von Thomas Schmid
    Riesengroß war im Osten wie auch im Westen Deutschlands die Freude, als am 9. November 1989 die Mauer durchlässig wurde und sich schnell ihr Ende wie auch das der deutschen Teilung abzeichnete. Unvergessen jener damals schon ältere Mann, der auf die Frage eines Fernsehreporters, warum er mitten in der Nacht der Maueröffnung an einen Berliner Grenzübergang gekommen sei, um sich das unerhörte Geschehen anzusehen, so antwortete: »Ich war vor 28 Jahren hier, als die Mauer errichtet wurde, und jetzt«, hier kamen ihm die Tränen, »will ich wieder da sein, wenn sie verschwindet.« Es war ein großer Moment unverhofften Glücks und lauterer Freude. Doch hinter den vielen Tränen erlösender Erleichterung verbarg sich auch viel Bitterkeit, Trauer, Schmerz. Die Mauer hatte deutsch-deutsche Geschichte angehalten, hatte Deutsche ohne Sinn voneinander getrennt und Menschen zu Tode kommen lassen, die sich mit

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