Mord auf dem Golfplatz
Sie das, Madame?« Er machte einen Schritt auf sie zu. »Darf ich nachsehen, ob es passt?«
Mit einem Aufschrei wich sie zurück, und jetzt wurde sie leichenblass.
»Das stimmt nicht, ich schwöre es. Ich weiß nichts über dieses Verbrechen – über diese Verbrechen. Und wer behauptet, ich wüsste etwas, lügt! Ah, mon Dieu, was soll ich nur tun?«
»Beruhigen Sie sich, Madame«, sagte Giraud kalt. »Bisher hat niemand Sie angeklagt. Aber ich möchte Ihnen raten, meine Fragen klar zu beantworten.«
»Was immer Sie wollen, Monsieur.«
»Schauen Sie sich den Toten an. Haben Sie ihn schon einmal gesehen?«
Als sie neben den Toten trat, nahm ihr Gesicht wieder ein wenig Farbe an. Madame Daubreuil betrachtete das Opfer mit einem gewissen Grad an Interesse und Neugier. Dann schüttelte sie den Kopf.
»Den kenne ich nicht.«
Ich musste ihr einfach glauben, das alles hörte sich so echt an. Giraud entließ sie mit einem Nicken.
»Sie lassen Sie gehen?«, fragte ich leise. »Ist das klug? Das schwarze Haar stammt doch bestimmt von ihrem Kopf.«
»Ich brauche keine Belehrungen«, sagte Giraud trocken. »Sie wird überwacht. Ich möchte sie jetzt noch nicht verhaften.«
Dann starrte er stirnrunzelnd den Leichnam an.
»Würden Sie ihn für einen spanischen Typ halten?«, fragte er plötzlich.
Ich sah mir das Gesicht des Toten sehr sorgfältig an.
»Nein«, sagte ich dann. »Ich würde ihn einwandfrei als Franzosen betrachten.«
Giraud grunzte unzufrieden.
»Ich auch.«
Er dachte kurz nach, dann winkte er mich mit gebieterischer Geste beiseite, fiel wieder auf die Knie und fuhr fort, den Schuppenboden abzusuchen. Er war großartig. Nichts entging seiner Aufmerksamkeit. Zentimeter für Zentimeter tastete er den Boden ab, drehte Töpfe um, untersuchte alte Säcke. Er machte sich über ein neben der Tür liegendes Bündel her, doch das erwies sich als ein zerlumpter Mantel samt Hose, worauf er es schnaubend wieder fallen ließ. Zwei Paar alte Handschuhe interessierten ihn, doch am Ende schüttelte er den Kopf und legte sie beiseite. Dann wandte er sich wieder den Töpfen zu und drehte einen nach dem anderen um. Irgendwann stand er schließlich auf und schüttelte nachdenklich den Kopf. Er kam mir ratlos vor, perplex. Ich glaube, er hatte ganz vergessen, dass ich da war.
Doch dann hörten wir draußen Schritte und Stimmen, und unser alter Freund, der Untersuchungsrichter, kam, mit seinem Schreiber und M. Bex und gefolgt vom Arzt, in den Schuppen geeilt.
»Wie außergewöhnlich, Monsieur Giraud!«, rief M. Hautet. »Noch ein Verbrechen. Ach, wir sind in diesem Fall noch nicht auf dem Grund angelangt. Es gibt hier ein großes Geheimnis. Aber wer ist diesmal das Opfer?«
»Das kann uns niemand verraten, Monsieur. Wir haben ihn noch nicht identifizieren können.«
»Und wo ist der Leichnam?«, fragte der Arzt.
Giraud trat beiseite.
»Dort in der Ecke. Ein Stich ins Herz, wie Sie sehen. Mit dem gestern Morgen gestohlenen Messer! Ich stelle mir vor, dass der Mord unmittelbar nach dem Diebstahl begangen wurde, aber das werden Sie uns genauer sagen können. Fassen Sie das Messer ruhig an – es weist keinerlei Fingerabdrücke auf.«
Der Arzt kniete neben dem Toten nieder, und Giraud wandte sich dem Untersuchungsrichter zu.
»Ein nettes kleines Problem, nicht wahr? Aber ich werde es lösen.«
»Niemand kann ihn also identifizieren«, überlegte der Untersuchungsrichter. »Könnte es sich um einen der Mörder handeln? Vielleicht haben sie sich zerstritten.«
Giraud schüttelte den Kopf.
»Das hier ist ein Franzose – das würde ich beschwören!«
Doch da meldete sich der Arzt zu Wort, der mit verdutzter Miene neben dem Toten hockte.
»Sie sagen, er sei gestern Morgen umgebracht worden?«
»Darauf weist der Diebstahl des Messers hin«, erklärte Giraud. »Natürlich kann es auch später gewesen sein.«
»Später? Unsinn! Dieser Mann ist seit mindestens achtundvierzig Stunden tot, wahrscheinlich sogar noch länger.«
Komplett verwirrt starrten wir einander an.
Fünfzehntes Kapitel
Ein Foto
D ie Worte des Arztes waren eine solche Überraschung, dass wir fürs Erste allesamt sprachlos waren. Hier war ein Mann mit einem Messer erstochen worden, von dem wir alle wussten, dass es erst vor vierundzwanzig Stunden gestohlen worden war, und doch konnte Dr. Durand uns versichern, dass der Mann seit mindestens achtundvierzig Stunden tot sein musste. Das war einfach absolut phantastisch!
Wir waren noch damit
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