Fesselnde Liebe - Teil 1 (German Edition)
1
Ich bin so nervös wie vor meiner letzten mündlichen Prüfung. Am liebsten würde ich mich übergeben, wenn ich nicht sogar dafür zu aufgeregt wäre. An meiner Unterlippe zupfend beobachte ich die schmallippige Frau mit dem blondierten Pagenkopf, die mitten im Menschengewusel mit hochgezogenen Brauen meine Mappe betrachtet.
Sag was! Irgendwas !
» Die Buchmesse ist sicher nicht der richtige Ort, um als Anfängerin einen Job zu finden, Miss …«
» Hamlin. Gwendolyn Hamlin. Ich dachte, es wäre eine gute Idee, mich gerade hier zu bewerben. Ich …«
» Außerdem haben Sie offenbar keinerlei Berufserfahrung.« Ihre Lippen verwandeln sich in dünne Striche, als sie mir die Mappe zurückgibt.
»Na ja, ich a rbeite bei der Unizeitung.« Jemand schubst mich im Vorbeigehen und ich taumle nach vorn, fange mich aber gleich wieder. Dem Übeltäter werfe ich einen finsteren Blick zu, aber der Typ, der mich um fast zwei Köpfe überragt, ignoriert mich auf dem Weg zu einem Bücherregal.
» Wir sind ein renommierter Verlag, Ms. Hamlin, und haben derzeit leider keinen Bedarf an Auszubildenden.«
Auszubildende? Ich studiere doch immerhin Literaturwissenschaften, zählt das denn gar nicht?
»Wie soll ich Berufserfahrung sammeln, wenn mir niemand eine Chance gibt?«
Oh Gott, ich klinge verzweifelt und das ist d as Letzte, was ich will, aber mir werden schon die Augen heiß vor Enttäuschung. Den Aufenthalt auf der London Book Fair kurz vor meinem Abschluss an der Uni habe ich mir wahrhaftig anders vorgestellt. Wie naiv war ich? Habe ich tatsächlich geglaubt, dass ich ausgerechnet hier, in all der Hektik, ein Vorstellungsgespräch führen könnte? Um uns herum herrscht ein ständiges Gewirr von Menschen, man fühlt sich wie in einem Ameisenhaufen.
»Es tut mir leid.« Ihr Ton und die Art, wie sie sich einfach umdreht und einem weiteren Gast an ihrem dämlichen Bücherstand widmet, strafen ihre Worte Lügen. Es tut ihr leid? Klar.
Ich stopfe die Mappe zu den anderen zurück, die ich in einer Umhängetasche mit mir herumschleppe, und mache mich auf den Weg durch die überfüllte Messehalle. Cat muss mich aufheitern. Das war der fünfte Versuch, bei dem ich mir das anhören musste, und die Damen und Herren aus der Verlagswelt haben mein Selbstbewusstsein mit ihren Worten echt in den Boden gerammt. Dabei bin ich heute Morgen voller Gottvertrauen aufgestanden und habe mich auf den Tag gefreut. Pustekuchen.
Der langweilige graue Hosenanzug, den ich mir für verdammte fünfzig Pfund gekauft habe, kneift unter den Achseln und in der Taille. Das Ding hätte ich mir sparen können, Eindruck habe ich damit jedenfalls nicht gemacht.
»Hey, Gwen! Und? Wie war‘s?«
Meine Mitbewohnerin läuft mir in Halle 2 über den Weg. Ihre Augenringe kann ich gar nicht mehr zählen, sie hatte eine sehr kurze Nacht. Fünfmal musste ich sie wecken, damit wir den frühen Zug von Newcastle nach London nicht verpassen, aber ich bin ihr dankbar, dass sie mich begleitet und ich nicht ganz alleine fahren musste. Ich hasse es, Dinge ganz allein zu tun.
»Frag nicht«, brumme ich. »Wenn ich nicht noch den einen Termin vor mir hätte, auf den ich mich seit Wochen freue, würde ich jetzt nach Hause fahren und mich heulend ins Bett legen.«
»Autsch. So schlimm?« Cat bleibt kurz stehen und schaut mich unter ihrem langen, knallrot gefärbten Pony hinweg an. Für eine angehende Psychologin sieht sie eindeutig nicht seriös genug aus. Vor allem das Cupcake-Tattoo auf ihrem Unterarm irritiert, wenn sie es wie heute zur Schau trägt.
»Schlimmer. Ich fürchte, ich werde im Theater um eine Daueranstellung bitten müssen.«
»Egal. Du hast allerdings nicht jahrelang studiert, um in einem privaten Theater die Karten abzureißen und in der Pause billigen Wein auszuschenken! Du wirst schon einen Job finden, ganz sicher. Mach dir nicht immer so viele Gedanken. Noch ist ja Zeit, du bist doch sowieso noch nicht fertig mit dem Studium.«
Manchmal wünschte ich, ich könnte so unbekümmert sein wie Cat. Leider wussten meine Mutter und das Leben das zu verhindern.
»Komm, gleich ist die Signierstunde von Kenneth McDuncan, und wenn ich die verpasse, ist das Wochenende endgültig für mich gelaufen«, sage ich und marschiere zielstrebig voran, durch die unzähligen Messestände voller Bücher und Menschen, die nach vielen einsamen Stunden in Bibliotheken riechen.
»Da ist er!« Ich stoße Cat so heftig mit dem Ellbogen in die Seite, dass sie entsetzt
Weitere Kostenlose Bücher