Mord auf dem Golfplatz
hatte, nahm ich an, dass es Jack Renauld auch nicht anders ging.
Ich kehrte in die Stadt zurück, nahm ein angenehmes Bad und begab mich ins Hotel. Ich ging früh schlafen und fragte mich noch, ob der kommende Tag wohl etwas Interessantes mit sich bringen würde.
Auf das, was er dann mit sich brachte, war ich ganz und gar nicht vorbereitet. Ich saß gerade im Speisesaal beim petit déjeuner, als der Kellner, der draußen mit irgendjemandem gesprochen hatte, in sichtlicher Erregung hereinkam. Er zögerte kurz, spielte an seiner Serviette herum und platzte schließlich heraus:
»Monsieur müssen bitte entschuldigen, aber Sie haben doch etwas mit dieser Sache in der Villa Geneviève zu tun, nicht wahr?«
»Ja«, sagte ich interessiert. »Warum?«
»Monsieur hat also noch nichts davon gehört?«
»Wovon denn?«
»Dass dort in der vergangenen Nacht noch ein Mord geschehen ist!«
»Was?«
Ich ließ mein Frühstück stehen, schnappte mir meinen Hut und nahm die Beine in die Hand. Noch ein Mord – und Poirot war nicht da! Was für ein Pech! Aber wer war ermordet worden?
Ich rannte durch das Tor. In der Auffahrt standen die eifrig schwatzenden und gestikulierenden Dienstbotinnen. Ich winkte Françoise zu mir.
»Was ist passiert?«
»Ach, Monsieur! Noch ein Tod. Es ist entsetzlich. Auf diesem Haus lastet ein Fluch! Jawohl, ein Fluch. Man sollte monsieur le curé bitten, mit Weihwasser herzukommen. Ich werde keine Nacht mehr unter diesem Dach verbringen. Ich könnte doch die Nächste sein, wer weiß das schon?«
Sie bekreuzigte sich.
»Ja«, rief ich, »aber wer ist denn umgebracht worden?«
»Woher soll ich das wissen? Ein Mann – ein Fremder. Sie haben ihn dort hinten gefunden – im Schuppen, keine hundert Meter von der Stelle entfernt, wo der arme Monsieur gelegen hat. Und das ist noch nicht alles. Er ist erstochen worden – ins Herz, mit demselben Messer!«
Vierzehntes Kapitel
Der zweite Leichnam
I ch hatte genug gehört und rannte den Weg zum Schuppen hoch. Die beiden Wachtposten traten beiseite, um mich durchzulassen, und voller Erregung ging ich hinein. –
Das Licht war trüb; der Schuppen war ein grober Holzverschlag, in dem alte Töpfe und Werkzeug aufbewahrt wurden. Um ein Haar wäre ich hineingestürmt, aber auf der Türschwelle riss ich mich zusammen, fasziniert von dem Anblick, der sich mir bot.
Giraud lag auf den Knien, er hielt eine Taschenlampe in der Hand und untersuchte jeden Zentimeter Boden. Als er mich hörte, schaute er stirnrunzelnd auf, dann besänftigte seine Miene sich ein wenig zu einer Art gutmütiger Verachtung.
»Das ist er«, sagte Giraud und leuchtete eine Ecke an.
Dort ging ich hin.
Der Tote lag lang ausgestreckt auf dem Rücken. Er war mittelgroß, von dunklem Teint, vielleicht fünfzig Jahre alt. Er trug einen eleganten dunkelblauen Anzug, der vermutlich von einem teuren Schneider stammte, aber nicht neu war. Sein Gesicht war entsetzlich verzerrt, und links auf seiner Brust, gleich über dem Herzen, ragte ein schwarzer, glänzender Messergriff auf. Ich erkannte dieses Messer. Es war dasselbe, das ich am Vortag im Glaskrug gesehen hatte.
»Ich rechne jeden Augenblick mit dem Arzt«, erklärte Giraud. »Obwohl wir den eigentlich gar nicht brauchen. An der Todesursache besteht kein Zweifel. Er wurde ins Herz gestochen, und der Tod muss nahezu augenblicklich eingetreten sein.«
»Wann ist das passiert? Letzte Nacht?«
Giraud schüttelte den Kopf.
»Wohl kaum. Ich bin zwar kein Mediziner, aber ich glaube doch, dass der Mann seit über zwölf Stunden tot ist. Wann, sagten Sie, haben Sie das Messer zuletzt gesehen?«
»Gestern Morgen gegen zehn.«
»Dann möchte ich annehmen, dass das Verbrechen nicht sehr viel später begangen worden ist.«
»Aber an diesem Schuppen kommen ständig Leute vorbei.«
Giraud lachte hämisch.
»Sie machen ja großartige Fortschritte. Wer hat Ihnen gesagt, dass er in diesem Schuppen umgebracht worden ist?«
»Na ja«, sagte ich verlegen. »Davon bin ich ausgegangen.«
»Ach, was für ein feiner Detektiv. Sehen Sie ihn sich an. Fällt ein Mann nach einem Stich ins Herz so um – ganz gerade, mit geschlossenen Beinen und lose herabhängenden Armen? Nein. Und legt jemand sich auf den Rücken und lässt sich erstechen, ohne auch nur einen Finger zu seiner Verteidigung zu rühren? Das wäre doch absurd, nicht wahr? Aber sehen Sie hier – und hier…« Er ließ den Lichtkegel seiner Taschenlampe über den Boden wandern. »Er ist nach
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