Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Einsatzfahrzeug warten, bis seine Nichte Mrs. Harwell da ist und ihn mitnimmt.«
»Keinerlei Spuren von Gewalteinwirkung an der Leiche - zumindest keine offensichtlichen«, sagte Morton skeptisch. »Keine Anzeichen für einen Kampf. Andererseits ist das ganze Haus so eine Müllhalde, dass es schwerfällt festzustellen, ob etwas nicht an seinem Platz steht oder ob die Unordnung größer ist als gewöhnlich.«
»Also müssen wir uns draußen umsehen und nach Spuren oder Zeichen von Aktivitäten suchen. Vielleicht finden wir irgendwo eine Lache mit Erbrochenem. Ihm muss unwohl gewesen sein. Er ist gewiss nicht hier hereingeschneit wie Mary Poppins, Phil. Er ist mit einem Wagen hergekommen, aber wo ist der Wagen? Er ist mit Sicherheit nicht zu Fuß gegangen - nicht in diesen Schuhen. Und ein Landstreicher auf der Suche nach etwas Essbarem oder einem Almosen ist er auch nicht. Er ist ein gutgekleideter, wohlgenährter Mann Anfang vierzig, höchstens, was meinen Sie?«
Morton nickte. Dann sah er zu der geschlossenen Küchentür mit dem unsichtbaren Monty Bickerstaffe dahinter. »Vielleicht hat der alte Bursche die Taschen des Toten durchwühlt auf der Suche nach Geld, um seinen Whisky zu bezahlen?«
»Er würde nicht die Wagenschlüssel oder die ganze Brieftasche an sich nehmen, sondern nur das Bargeld. Aber ich denke nicht, dass er es war. Ich stimme Ihnen zu - jemand hat versucht, die Identifikation zu verzögern, und aus diesem Grund die Taschen des Toten geleert. Ich halte es für mehr als wahrscheinlich, dass diese Person - oder vielleicht waren es auch mehrere Personen - den Toten mit dem Wagen hierher gebracht und zurückgelassen haben.«
»Aber warum hierher?«, fragte Morton prompt. »Glauben Sie, wer auch immer es war, wusste von diesem Haus?« Er sah sich um. »Er hat jedenfalls die richtige Umgebung ausgewählt, so viel steht fest. Es ist eine einzige Müllkippe und so aufmunternd wie eine Leichenhalle.«
Jess Campbell rammte die Hände in die Hosentaschen und zog die Schultern hoch. Morton hatte recht - es war ungemütlich wie in einem Mausoleum: kühl, feucht, staubig und nach Moder riechend. Das Haus stammte wahrscheinlich aus viktorianischer Zeit. Die Treppe in den ersten Stock hinauf war breit genug, um problemlos mit Reifröcken benutzt zu werden. Oben wurde das düstere Zwielicht überraschend durchbrochen von Licht, das durch ein Bleiglasfenster fiel. Flecken von Rot und Gelb fielen auf die Wandvertäfelungen und die dunkel angelaufenen Ölgemälde. Es verstärkte die Atmosphäre noch; Jess fühlte sich wie in einer Gedächtniskapelle. Lediglich der Geruch nach abgestandenem Blumenwasser und brennendem Kerzenwachs fehlte noch.
Sie riss sich zusammen und sagte forsch: »Ich bringe Mr. Bickerstaffe nach draußen. Anschließend sollten wir uns wohl besser im ersten Stock umsehen ...« Sie zeigte nach oben. »Um sicherzugehen, dass dort oben nicht noch mehr Leichen herumliegen.«
Als sie in die Küche zurückkam, fand sie einen in tiefe Depressionen versunkenen Monty Bickerstaffe vor. Sie wusste nicht recht, was sie mit ihm machen sollte. Es war nicht zu übersehen, dass er nicht zu seiner Nichte Bridget wollte, auch wenn die Frau am Telefon sehr vernünftig geklungen hatte. Andererseits konnte er nicht im Haus bleiben, solange sie nicht mit Sicherheit wussten, dass es kein Tatort war, und er brauchte Gesellschaft. Ob es ihm bewusst war oder nicht: Er hatte einen schlimmen Schock erlitten.
»Kommen Sie, Sir«, sagte sie so aufmunternd, wie sie nur konnte. Er erhob sich gehorsam und folgte ihr nach draußen.
Jess atmete dankbar die frische Luft ein. Monty schob die Hände in die Taschen und ließ verdrießlich die Schultern hängen. Draußen vor dem Tor stand einer der beiden Constables, die zuerst gekommen waren, neben einem Streifenwagen und unterhielt sich mit einem Neuankömmling, einem jungen Mann in Jeans und einer abgewetzten Lederjacke.
»Hallo Monty!«, rief der junge Mann Monty Bickerstaffe zu. »Was ist denn los bei dir? Der Constable will nicht mit mir reden!«
Monty öffnete den Mund zu einer Antwort, doch Jess Campbell kam ihm zuvor. »Ich beantworte diese Fragen, Monty, haben Sie verstanden? Sie sagen kein Wort!« Sie schob ihn auf den Rücksitz des Wagens und schloss hinter ihm die Tür. Monty ließ sich in den Sitz sinken und verschränkte die Arme vor der Brust wie ein aufsässiges Kleinkind.
Jess Campbell wandte sich zu dem Officer und dem jungen Neuankömmling um. Sie
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