Mord im Garten des Sokrates
gerichtet.
«Das ist Anaxos», sprach Alkibiades. «Er wird dir alles Weitere erklären. Ihm erstattest du regelmäßig Bericht. Von ihm bekommst du alle Vollmachten, die du benötigst. Kein Tor und kein Mund sollen vor dir verschlossen, kein Geheimnis verborgen bleiben. Anaxos gibt dir so viel Geld, wie du brauchst. Wenn du bestechen musst, dann bestich. Wenn du jemanden töten musst, tu auch das. Finde den Mörder Perianders, und du wirst reich belohnt. Finde ihn!»
Oder erfinde ihn, dachte ich bei mir, denn sonst muss du sterben und deine Frau und deine Kinder dazu.
Das Gespräch war zu Ende. Anaxos verneigte sich vor Alkibiades und ergriff meinen Arm, um mich hinauszuführen. Auch ich verbeugte mich. Gemeinsam verließen wir den Saal. Erst jetzt konnte ich ihn betrachten und die Malereien erkennen, die die Wände schmückten: es waren die Heldentaten des Herakles ohne Zweifel, aber dieser Herakles, das sah ich nun, trug die Züge des Alkibiades selbst. Mein Herz hämmerte in meiner Brust. Jeder musste es hören.
Anaxos führte mich durch die Gänge und die Kanzlei, wo vier Schreiber arbeiteten, in einen abgeschiedenen fensterlosen Raum. Er war ein kleiner, schon älterer, rundlicher Mann mit grauem, gewelltem Haar und feuchten Augen. Seine Bewegungen waren langsam und bedacht, seine Kleidung schlicht, beinahe bescheiden. Nie hätte ich erwartet, wozu ausgerechnet dieser kleine, freundliche Mann fähig war. Aber das würde ich noch erfahren, früh genug.
Ein nur von Öllampen und einer kleinen Öffnung in der Decke beleuchtetes Zimmer war sein Reich: ein kleiner, dunkler Arbeitsraum, in dem es nach dem Staub unzähliger Schriftrollen, verbranntem Öl und dem Schweiß des alten Mannes roch. Mannshohe Regale lehnten an den Wänden, in der Mitte des Raumes stand ein gewaltiger, mehrstufiger Tisch. Die Öllampen flackerten und warfen unruhige Schatten an die Wand.
«Du hast Alkibiades gehört», begann er mit ungewöhnlich sanfter Stimme, «und weißt, was zu tun ist. Ich brauche dir nicht noch einmal zu erklären, wie wichtig es ist, dass du Erfolg hast.» Lächelnd reichte er mir eine kleine Papierrolle und einen Beutel, in dem die Münzen klangen. «Hier hast du eine Vollmacht und Geld», fuhr er fort, «du bist zum besonderen Ermittler ernannt. Jeder Beamte der Stadt und jeder Soldat muss dir gehorchen. Was du mit dem Silber machst, wirst du selbst wissen. Wir werden keine Rechenschaft verlangen. Brauchst du mehr, so sag es nur. Es liegen tausend Drachmen für dich bereit. Auf einen Wink sind sie dein.» Er zwinkerte mir zu und rieb die Hände aneinander. «Du wirst sicher noch mehr Fragen haben, als du sie dem Hegemon stellen konntest!»
«Ja, die habe ich», gab ich zu und glaubte fast, ich könne Anaxos vertrauen. «Wieso hat Alkibiades ausgerechnet mich ausgesucht? Die Bogenschützen untersuchen keine Verbrechen, sie sind dazu da, die Straßen zu bewachen und für Ruhe zu sorgen.»
«Es gibt zwei Gründe», antwortete Anaxos und klang so liebenswürdig, als wären wir seit Jahren Freunde. «Du hast die Bogenschützen zu einer schlagkräftigen Truppe gemacht. Wir wissen das. Die Toxotai genießen Respekt in der Stadt und werden dir bei deinen Ermittlungen große Hilfe leisten können. Das ist der erste Grund. Du selbst bist der zweite. Du hast einen untadeligen Ruf und giltst als unbestechlich. Das ist eine seltene Blüte heutzutage. Wir wissen auch, dass du Alkibiades nicht liebst – ja, die Wände haben Ohren, lieber Nikomachos –, aber umso mehr wird Perianders Familie dir trauen, und hiervon hängt viel ab. Sie muss glauben, dass wir den Mörder Perianders finden wollen, und du bist ein Teil unserer Glaubwürdigkeit. Du willst ihn doch finden?»
«Gewiss, das will ich», antwortete ich, kaum mutiger als ein Kaninchen in der Falle. Was blieb mir auch übrig? Anaxos sah mich offen an. Sein Lächeln wich ihm nicht von den Lippen. Er hatte etwas von einem freundlichen Großvater, einem freundlichen Großvater mit einer reinen und melodiösen Stimme …
«Wo ist Perianders Leichnam jetzt? Noch am Itonia-Tor?» «Nein», erwiderte Anaxos, «wir haben ihn in das Haus seiner Eltern bringen lassen, aber am Tor stehen zwei Wachen, die dafür sorgen, dass alles unverändert bleibt.»
«Wo liegt das Haus?», fragte ich und ließ meinen Blick durch den kleinen Raum wandern. Erst allmählich hatten sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Die Regale um uns waren voller Schriftrollen mit irdenen Siegeln. Ich
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