Mord im Labor
sie
mißtrauisch.
»Wollen Sie sich mal setzen,
damit wir anfangen können?« entgegnete ich.
»Setzen Sie sich.« Ihre Stimme
zitterte unwillkürlich. »Arme, süße, dumme Jan! Mir ist plötzlich ganz
schlecht.« Sie rannte beinahe aus dem Zimmer, und zwei Sekunden später schlug
die Badezimmertür hinter ihr zu. Ich zündete mir eine Zigarette an und sah
mich, während ich wartete, im Wohnzimmer um. Die Möbel waren okay, aber für ein
Apartment, das von zwei Frauen bewohnt wurde, merkwürdig unpersönlich. Das
Zimmer erweckte den Eindruck, als ob keine der beiden ausgesprochene
Liebhaberinnen des eigenen Heims seien, und als ob dieses Heim nicht mehr sei
als ein Ort, an dem man zwischen den Verabredungen die Füße hochlegt. Ich
konnte meine Zigarette zu Ende rauchen, bevor eine bleich aussehende Judy Trent
ins Zimmer zurückkehrte.
»Entschuldigung«, sagte sie mit
dünner Stimme. »Ich habe am Anfang nicht recht begriffen. Ich meine, als Sie
mir erzählten, daß Jan ermordet worden ist. Wir waren nie besonders eng
befreundet, aber wir haben hier seit fast zwei Jahren miteinander gewohnt.«
Sie setzte sich auf die Couch und
ließ sich in die Polster zurücksinken. »Haben Sie eine Ahnung, wer sie
umgebracht haben könnte, Lieutenant?«
»Noch nicht«, sagte ich. »Der Motelmanager identifizierte ihre Leiche, und mehr weiß ich
bis jetzt nicht.«
»Vermutlich hat er Ihnen
erzählt, daß sie Witwe war?« Ihre Stimme klang matt, so als zähle sie auf eine
fast papageienartige Weise Fakten auf. »Daß ihr Mann vor zwei Jahren bei einem
Autounfall ums Leben kam. Sie hatte einen guten Job bei CalCon -Chemie
als Privatsekretärin eines der Direktoren, und ich lernte sie durch einen
gemeinsamen Freund kennen. Ich war eben erst in diese Wohnung gezogen, und die
Monatsmiete überstieg meine Möglichkeiten. Jan wollte aus ihrer eigenen Wohnung
ausziehen, um nicht dauernd mit Erinnerungen belastet zu sein, und so gelangten
wir zu dem Schluß, daß wir miteinander auskommen könnten, und sie zog hier
ein.«
»Was für ein Mensch war sie?«
»Es war leicht, mit ihr
zurechtzukommen«, sagte das blonde Mädchen, »aber schwer, sie richtig kennenzulernen.
Es dauerte ein Jahr, bis ich begriff, daß sie nymphoman veranlagt war. All
diese Nächte, in denen sie nicht nach Hause kam und auch keinerlei Erklärungen
dafür abgab. Ich fand, es ginge mich nichts an. Bis zu dem Morgen, als sie mit
verschwollenem Gesicht und blauen Flecken am ganzen Körper auftauchte. Ich
glaube, das war ein Augenblick, in dem sie sich selbst nicht recht unter
Kontrolle hatte, und sie erzählte mir die Wahrheit. Sie hatte einen
Lastwagenfahrer in einer Bar aufgegabelt und war mit ihm in ein Motel gegangen.
Aber seine Vorstellung von Vergnügen bestand darin, sie windelweich zu prügeln.
Für Jan war das die Stunde der >Wahren Geschichten<. Sie erklärte mir,
sie hasse Männer eigentlich, verspüre aber gelegentlich eine Art verzweifelter
physischer Begierde nach ihnen. Sie war überzeugt gewesen, daß sie durch ihre
Ehe davon kuriert worden sei, aber gleich, nachdem ihr Mann umgekommen war,
kamen die alten Bedürfnisse zurück.«
»Handelte es sich immer um
Fremde?«
»Immer«, sagte Judy Trent ohne
zu zögern. »Das gehörte dazu, erklärte mir Jan. Es war eine rein physische
Affäre. Sie wollte keine andere Art der Beziehung zu einem Mann. Also mußte sie
irgendwo einen auflesen und eine Nacht mit ihm schlafen, so daß am nächsten
Morgen die ganze Sache aus und erledigt war.«
»Was für einen Wagen fuhr sie?«
»Einen schwarzen Thunderbird.
Ziemlich alt und mitgenommen.«
»Hat sie nie einen Mann hierher
in die Wohnung gebracht?«
»Nein, nie.« Sie überlegte ein
paar Sekunden lang. »Jedenfalls nicht, während ich hier war, Lieutenant.«
Es hatte nicht viel Sinn,
weiterzufragen, aber im Augenblick hatte ich sonst nichts zu tun und hätte auch
nicht gewußt, wohin ich gehen sollte. »Sie sahen Sie nie mit einem Mann von
Anfang oder Mitte Dreißig zusammen, ungefähr ein Meter fünfundachtzig groß, gut
gebaut, mit dichtem braunem Haar und einem Oberlippenbart?«
Sie sah mich mit einem mißtrauischen Blick in den blauen Augen an. »Sie waren wohl
erst bei CalCon , was?«
»Ich bin geradewegs vom Motel
hierhergekommen«, sagte ich wahrheitsgemäß.
»Okay.« Sie zuckte gereizt die
Schultern. »Sie brauchen keine Staatsaktion daraus zu machen. Also war Justin Everard im Motel.«
»Wer ist Justin Everard ?«
»Einer der Männer, mit
Weitere Kostenlose Bücher