Mord im Pfarrhaus
eingebracht hatte, bemerkte sie zu ihrem Schmerz, dass ein Zehn-Shilling-Schein als höchster Einzelbeitrag genannt wurde.
Sie beschwerte sich deshalb bei mir, und ich wies sie mit allem Respekt darauf hin, dass sie sich geirrt haben musste.
«Wir sind alle nicht mehr so jung, wie wir einmal waren», taktvoll hatte ich versucht abzulenken, «und wir müssen den Jahren Tribut zollen.»
Merkwürdigerweise schienen meine Worte sie noch mehr zu erbosen. Sie sagte, die Sache sehe höchst merkwürdig aus, und sie sei überrascht, dass ich ihre Meinung nicht teile. Dann stürmte sie davon und trug offenbar ihre Sorgen Colonel Protheroe vor. Protheroe gehört zu den Menschen, die mit Vergnügen aus jedem nur denkbaren Anlass Wirbel machen. Und er machte Wirbel. Zu schade, dass er sich dazu einen Mittwoch aussuchte. Mittwochs morgens unterrichte ich am theologischen Seminar, was mich immer Nerven kostet und den ganzen Tag aus dem Gleichgewicht bringt.
«Nun, ein bisschen Spaß muss er wohl haben.» Meine Frau gab sich den Anschein einer Unparteiischen. «Schließlich schwirrt niemand um ihn herum und nennt ihn ‹lieber Pfarrer› und bestickt ihm grässliche Pantoffel und schenkt ihm Bettschuhe zu Weihnachten. Seine Frau und seine Tochter haben die Nase voll von ihm. Wahrscheinlich macht es ihn glücklich, dass er sich irgendwo wichtig vorkommen kann.»
«Er hatte keinen Grund, beleidigend zu werden», erwiderte ich erregt. «Ich glaube, ihm war gar nicht richtig klar, was er da sagte. Er will die gesamte Buchhaltung der Kirche prüfen – ob es Veruntreuungen gegeben habe. Das war das Wort, das er gebrauchte. Veruntreuungen! Verdächtigt er vielleicht mich, Kirchengelder zu unterschlagen?»
«Niemand würde dich irgendwelcher Verfehlungen verdächtigen, Liebling», sagte Griselda. «Du bist so offenkundig über jeden Verdacht erhaben, dass es wirklich eine fabelhafte Gelegenheit wäre. Ich wünschte, du würdest die Gelder der Missionsgesellschaft unterschlagen. Ich hasse Missionare – seit jeher.»
Ich hätte sie wegen dieser Äußerung zurechtgewiesen, doch in diesem Moment kam Mary mit einem halb garen Reispudding herein. Ich protestierte mild, aber Griselda sagte, dass die Japaner immer halb garen Reis essen und dieser Diät ihre fabelhaften Hirne verdanken.
«Ich wette», sagte sie, «wenn du täglich bis Sonntag solchen Reispudding essen würdest, könntest du eine fabelhafte Predigt halten.»
Ich schauderte. «Da sei der Himmel vor.»
«Protheroe kommt morgen Abend, und wir nehmen uns zusammen die Bücher vor», fuhr ich fort. «Heute muss ich meinen Vortrag für den M.V.A.K. fertig schreiben. Als ich einen Quellenvermerk nachschlug, habe ich mich so in Kanonikus Shirleys Reality vertieft, dass ich nicht so weit gekommen bin, wie ich sollte. Was tust du heute Nachmittag, Griselda?»
«Meine Pflicht», sagte Griselda. «Meine Pflicht als Pfarrfrau. Um vier Uhr dreißig gibts Tee und Skandale.»
«Wer kommt?»
Griselda errötete tugendhaft und zählte sie an den Fingern ab: «Mrs Price Ridley, Miss Wetherby, Miss Hartnell und diese schreckliche Miss Marple.»
«Ich mag Miss Marple eigentlich», sagte ich. «Sie hat zumindest Sinn für Humor.»
«Sie ist die schlimmste Katze im Dorf. Und sie weiß immer alles, was passiert – und zieht daraus die schlimmsten Schlüsse.»
Griselda ist, wie ich bereits erwähnt habe, wesentlich jünger als ich. In meinem Alter weiß man, dass das Schlimmste gewöhnlich stimmt.
«Also mit mir brauchst du zum Tee nicht zu rechnen, Griselda», sagte Dennis.
«Unmensch!», sagte Griselda.
«Ja, aber schau mal, die Protheroes haben mich wirklich heute zum Tennis eingeladen.»
«Unmensch!», wiederholte Griselda.
Dennis zog sich vorsichtig zurück, und Griselda und ich gingen in mein Arbeitszimmer.
«Ich bin mal gespannt, was wir zum Tee serviert bekommen.» Griselda setzte sich auf meinen Schreibtisch. «Wahrscheinlich Dr. Stone und Miss Cram und vielleicht Mrs Lestrange. Übrigens wollte ich sie gestern besuchen, aber sie war ausgegangen. Ja, bestimmt gibts zum Tee Klatsch über Mrs Lestrange. Es ist so mysteriös, nicht wahr, wie sie hier ankommt, ein Haus mietet und es fast nie verlässt. Da fallen einem gleich Kriminalromane ein. Du weißt schon – ‹Wer war sie, die geheimnisvolle blasse, schöne Frau? Was lag hinter ihr? Niemand wusste es. Sie hatte etwas Unheimliches an sich.› Ich glaube, Dr. Haydock weiß etwas über sie.»
«Du liest zu viele
Weitere Kostenlose Bücher