Mord in Der Noris
hat auch bereits sein Okay dazu gegeben. Wir sehen uns
also am Montag wie …«
Noch bevor sie den Satz zu Ende gesprochen hatte,
brach ein Schwall von Dankesworten, Ergebenheitsfloskeln und Beteuerungen über
sie herein.
»… das wird sich nie wiederholen, Frau Steiner …
Sie können sich da auf mich verlassen, zu hundert Prozent … ich bin ja so froh … das wird ein richtig schönes Wochenende für mich … hab ich Ihnen schon
gesagt, wie dankbar ich Ihnen bin … denn selbstverständlich ist das nicht …
Herr Trommen hätte mich nach so einem Vorfall sicher nicht mehr in seine
Kommission gelassen …«
»Ja, ist schon gut. Mal etwas anderes: Wo sind Sie
gerade?«
»Bei mir in der Wohnung. Warum?«
»Sie haben doch Ihre Uniform noch daheim?«
»Ja. Soll ich am Montag in der Uniform erscheinen?«
»Am Montag nicht, heute wäre mir lieber. Um halb drei
in der Pilotystraße, geht das?«
»Ja, natürlich. Ich bin pünktlich da, Sie können sich
auf mich verlas…«
Paula nannte ihr die Hausnummer von Apolonia Rupp und
sagte ihr, dass sie sich dort Punkt vierzehn Uhr dreißig treffen würden. Dann
dachte sie über das Gespräch mit ihrer Mitarbeiterin nach. Es sprach für deren
grenzenlosen Diensteifer, dass sie nicht wissen wollte, warum sie in der
Pilotystraße uniformiert erscheinen sollte und was sie dort erwartete. Paula
hätte derartige Fragen derzeit auch nur sehr vage beantworten können.
Als sie aufgelegt hatte, wedelte Heinrich aufgeregt
mit der Mitgliederliste des Jagdschutzverbandes vor ihrer Nase herum. »Du,
Paula, ich hab etwas Hochinteressantes für dich. Rat mal, wer in dieser Liste
als Mitglied aufgeführt ist? Zwar derzeit mit einer ruhenden Mitgliedschaft,
aber immerhin.«
»Na, von den Webers ist keiner dabei. Vielleicht die
Rupp?«
»Nein, falsch. Weiterraten.«
»Jemand hier vom Haus?«
»Ganz kalt. Eine Chance hast du noch.«
»Die Platzer?«
»Warm, sehr warm. Nicht die, sondern der Platzer.«
Er reichte ihr das Blatt, auf dem er den Namen
»Platzer, Erwin« gelb markiert hatte. Sie hatte Mühe, sich den bulligen,
rustikalen Busfahrer auf einem Hochsitz im grünen Jagdornat mit Flinte und
Gewehr vorzustellen. Und doch, hier stand es schwarz auf weiß: »Platzer, Erwin – Mitglied seit 1999«. Dahinter der Vermerk »staatl. Jägerprüfung 1998/ruhende
Mitgliedschaft seit 2002/gültiger Jagdschein«.
Sie haderte mit sich selbst. Dass ihr das passiert
war! Sie wusste doch, wie sehr einem die Antipathie oder das Gegenteil: die
Sympathie einen Strich durch die Rechnung machen konnte! Gerade bei den
Ermittlungen. Kein Urteil über das Opfer, nicht das geringste, genauso wenig
eines über Zeugen und Verdächtige, nur auf das reine Betrachten und Abwägen kam
es doch an. Auf die ungerührte Neutralität, nicht auf das moralische Empfinden
einer kleinen Kommissarin mit ihren Pamperl-Fällen.
Wahrscheinlich war ihr dieser Lapsus unterlaufen, weil
die an diesem Fall Beteiligten ihr so herzlich zuwider waren. Sie war empört
gewesen. Gegenüber allen, gegenüber den Webers, der Rupp … Nur bei dem Exmann
hatte sie eine Ausnahme gemacht. Bei Erwin Platzer in seiner herrlich
altmodischen Männlichkeit und seinem elektrisierend knödelnden Bass.
»Was machen wir mit Platzer?«, riss Heinrich sie aus
ihren Erinnerungen. »Soll ich den vorladen?«
»Nein, das hat keinen Sinn. Du wirst später zu ihm
hinfahren, und zwar unangemeldet. Nimm Klaus mit. Ruf aber vorher bei der VAG an und frag, wann er dienstfrei hat. Damit ihr
nicht umsonst dorthin …«
»Das weiß ich selbst, wie man so was macht«,
unterbrach Heinrich sie ungehalten. »Ich bin kein Anfänger.«
Sie kannte den Grund seiner Verärgerung – soeben hatte
sie ihn um einen frühen Feierabend gebracht, um ein sanftes Hineingleiten in
sein freies Wochenende. Und da sie sich immer noch Vorwürfe für ihre
Pflichtvergessenheit machte, fügte sie noch lächelnd hinzu: »Das weiß ich,
Heinrich. Danke, dass du mir das abnimmst.«
Nach dem Mittagessen machte sie sich mit den
beiden Phantombildern in der Tasche auf den Weg. Sie ging zu Fuß und erreichte
die Pilotystraße zehn Minuten vor der verabredeten Zeit. Schon von Ferne sah
sie Eva Brunner in Uniform vor dem Haus auf und ab gehen. Sie machte einen
konzentrierten, geschäftigen und zufriedenen Eindruck.
»Schön, dass Sie so pünktlich sind.«
»Aber das ist doch selbstverständlich, Frau Steiner.
Die Waffe oder den Dienstausweis brauche ich aber nicht, oder? Die sind
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