Mord in Londinium
beiden niedrigen Geröllhügel, auf denen Londinium stand, nicht weit vom Fluss entfernt. Das ist in jeder Stadt eine üble Gegend. Die beiden Leibwächter des Prokurators folgten uns in diskretem Abstand, zwei Frontsoldaten, die zu diesem Dienst abkommandiert waren und an ihren Dolchen herumfummelten. Sie gaben uns Schutz – teilweise.
Von der schlecht gepflasterten Straße, die diese Enklave mit ausgedehnteren, vielleicht weniger unfreundlichen Gegenden verband, hörten wir das Knarren der Kräne auf den Kais entlang des Tamesis. Es stank beißend nach frisch gegerbtem Leder, einem Haupthandelsgut. Manche Städte schrieben vor, dass sich Gerbereien nur draußen auf dem Land ansiedeln durften, weil sie einen derartigen Gestank verbreiteten, aber Londinium war entweder nicht so pingelig oder nicht so gut organisiert. Angezogen von der Nähe des Flusses, gingen wir dort hinunter.
Wir kamen zwischen neuen Lagerhäusern mit schmalen, dem Flussufer zugewandten Stirnseiten heraus, die sich von den voll gepackten Schiffsanlegern in sicheren Speichertunneln nach hinten erstreckten. Das Flussufer war davon gesäumt, als sei es so geplant worden. Eine große hölzerne Plattform, erst vor kurzem errichtet, diente als Landungsbrücke und Bollwerk gegen die Gezeiten.
Trübsinnig schaute ich auf den Fluss. Der Tamesis war viel breiter als der Tiber bei uns zu Hause, bei Flut mehr als tausend Schritte, bei Ebbe allerdings um ein Drittel schmaler. Gegenüber unseres Kais befanden sich mit Schilf bewachsene Inseln, die bei Flut fast überschwemmt wurden, wenn an der vier Meilen entfernten Flussmündung des Tamesis das Sumpfland völlig überspült war. Straßen von den Häfen im Süden führten dort drüben zum Südufer, trafen an einem Punkt zusammen, von dem aus schon immer Fähren den Fluss überquert hatten. Es gab eine Holzbrücke von der Hauptinsel, in einem etwas seltsamen Winkel.
Der Prokurator neben mir teilte sichtbar meine melancholische Stimmung. Tod und neblig graue Flussufer rufen dieselbe Wirkung hervor. Wir waren Männer von Welt, aber uns schmerzte das Herz.
Niedergeschlagen durch unsere Umgebung, war ich noch nicht bereit, den Tod von Verovolcus anzusprechen. »Ihr habt die Brücke reparieren lassen, wie ich sehe.«
»Ja. Boudicca benützte sie, um zu den Siedlungen auf dem Südufer zu kommen – und ihre Truppen haben sich sehr bemüht, die Brücke zu zerstören.« Hilaris klang trocken. »Wenn dir die hier ziemlich schief vorkommt, dann liegt es daran, dass sie nicht dauerhaft gebaut ist.« Das Brückenthema amüsierte ihn eindeutig. »Falco, ich erinnere mich an die nach der Invasion errichtete Brücke, die ausschließlich für militärische Zwecke bestimmt war. Das waren bloß überdeckte Pontons. Später wurden feste Stützen eingerammt – aber immer noch aus Holz, also haben wir sie wieder rausgerissen. Man entschied, eine anständige Steinbrücke würde ein Ausdruck von Dauerhaftigkeit in der Provinz sein, daher wurde diese gebaut.«
Ich machte bei der Satire mit. »Du sagtest, auch die hier sei nicht dauerhaft?«
»Nein. Die dauerhafte Brücke wird in gerader Linie über den Fluss zum Forum führen, damit die Menschen beim Ankommen einen großartigen Blick haben, quer über den Fluss und den Hügel hinauf.«
»Und für wann ist die dauerhafte Brücke geplant?«, fragte ich lächelnd.
»Für in etwa zehn Jahren, würde ich sagen«, meinte er düster. »Bis dahin haben wir diese, die wir die dauerhaft provisorische Brücke nennen könnten – oder die provisorisch dauerhafte.«
»Sie ist versetzt gebaut, damit man, während die endgültige Version errichtet wird, weiterhin einen Übergang hat?«
»Genau! Wenn du den Fluss jetzt überqueren willst, würde ich dir raten, die Fähre zu benutzen.«
Ich hob die Augenbrauen. »Warum?«
»Die Brücke ist provisorisch, darum halten wir sie nicht instand.«
Ich lachte.
Hilaris verfiel dann in eine nachdenkliche Stimmung. Er genoss es, Geschichtsunterricht zu geben. »Ich erinnere mich noch daran, als es hier gar nichts gab. Nur ein paar runde Hütten, die meisten davon am anderen Ufer. Auf dieser Seite Obstgärten und Wäldchen. Beim Jupiter, war das hier unwirtlich! Eine zivilisiertere Siedlung entstand erst nach der römischen Invasion. Aber wir saßen noch draußen in Camulodunum, der Provinzhauptstadt der Briten. Das war verdammt lästig, kann ich dir sagen. Unsere Anwesenheit rief böses Blut hervor; während der Rebellion war es der erste Ort,
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