Mord in Oxford
vielleicht vorab schon einen Teil überschreiben. Nur so kann ich für das Haus in der Rosamund Road aufkommen, ganz zu schweigen von dem Einstiegskapital für meinen Strick-Shop, und …«
»Vergiss es, Rose. Wahrscheinlich wirst du auch in zwanzig Jahren noch von deinen großen Plänen faseln. Und wenn ich dir die Oxford-Dose überließe, würdest du sie nur dem erstbesten Gauner für ein paar Pfund in den Rachen werfen. Nein, nein. Sie bleibt hier bei mir. Hier ist sie wenigstens sicher.« Beim Sprechen hatte er ihre Hände von der Tür gelöst, über die er jetzt wieder allein verfügte. Aber Rose trommelte mit den Fäusten gegen seine Brust und machte fast den Eindruck, als wolle sie ins Haus stürmen und sich der Dinge bemächtigen, die sie für ihr Eigentum hielt. Doch er wehrte sie locker mit der linken Hand ab, während seine rechte das Kleinod hinter dem Rücken verbarg.
»Du hast doch keine Ahnung von der Bedeutung dieser Dosen«, schrie Rose. »Wichtig daran ist das Geheimnisvolle. Man weiß nie, was sich im Innern verbirgt. Nur das zählt. Das Geld ist doch gar nicht so wichtig.«
»Ein gewisser sexueller Symbolgehalt ist sicher dabei«, meinte Theo abweisend, »aber du bist wirklich der einzige Mensch, der so naiv ist, darin keinen Zusammenhang mit Geld zu vermuten. Wir reden über diese Oxford-Dose hier: bescheiden, blau, begehrenswert – und mittlerweile auch alles andere als billig.«
»Sie gehört mir! Widerlicher Kerl! Theo, gib sie sofort her!«, kreischte Rose. »Das wird dir noch Leid tun!«
»Was ist los, Theo?«, rief eine junge Frauenstimme aus dem Innern des Hauses.
»Nichts«, antwortete Theo über seine Schulter hinweg, ehe er sich wieder an Rose wandte. »Verschwinde. Lass uns in Frieden. Und gib dich bloß keinen Illusionen hin: Meine Hälfte der Sammlung bekommst du nie! Falls du auf die Idee kommen solltest, es trotzdem zu versuchen, werde ich keine Sekunde zögern und die Polizei rufen. Ganz ehrlich, Rose, ich will wirklich nicht, dass du wegen dieser Dosen in ernsthafte Schwierigkeiten gerätst.« Mit diesen Worten schloss er die Tür.
2. KAPITEL
T
heo hat mich verlassen.«
Roses Worte klangen durch die kühle Morgenluft aus der Jogger-Gruppe, die vor Kate Ivory lief.
»Los, komm«, sagte Kate zu ihrer Begleiterin. »Das muss ich unbedingt hören.« Mit diesen Worten beschleunigte sie deutlich. Camilla kam fast aus der Puste bei dem Versuch, Schritt zu halten.
»… mit dieser schrecklichen Lynda«, war gerade Roses hohe, kindliche Stimme zu vernehmen.
»Mir ist kalt. Lust habe ich auch keine mehr«, meinte Camilla. »Lass uns nach Hause gehen.«
»Ausgeschlossen. Um zehn vor sechs aufzustehen und in die dunkle Kälte rauszugehen ist der schrecklichste Moment des ganzen Tages. Das eigentliche Joggen fällt dann doch ganz leicht. Eigentlich fällt alles leicht, was danach noch kommt. Was ist denn los mit dir heute Morgen?«, fragte Kate etwas abgehackt, wie immer, wenn sie sich warm lief. »Normalerweise bin ich doch diejenige, die morgens schlecht gelaunt ist. Im Grunde erwarte ich von dir, aufgeheitert und im Trott gehalten zu werden.« Camilla war Schulleiterin und musste schließlich wissen, wie man Menschen bei Laune hielt.
Schemenhaft tauchten Bäume und Häuser aus dem langsam heraufdämmernden Morgenlicht auf. Wasser plätscherte über den Sportplatz, und Kate konnte eine Möwe erkennen, die sich wie ein weißer Schatten auf einem Torpfosten niederließ. Ein paar Stockenten dümpelten in einer riesigen Lache an der Stelle, wo an Halloween das große Feuer gebrannt hatte.
»Wir haben acht Kilometer vor uns, prall gefüllt mit Roses Beschwerden über Theo«, sagte Camilla. »Ich habe nicht die geringste Lust, mir das anzuhören. Ich würde sogar eine Diskussion über die Nützlichkeit von Prüfungen oder die Aussichten der Zentrumspartei bei den nächsten Wahlen vorziehen.« Sie wurde langsamer, bis Roses Stimme nicht mehr zu verstehen war. »Ich habe mir oft gewünscht, Rose würde ihre Stricknadeln nehmen und den Mann einfach sitzen lassen. Jetzt hat er sie also verlassen. Gut für sie. Aber die Details interessieren mich wirklich nicht.«
Allmählich erwachten die Fenster ringsumher. Eines nach dem anderen leuchtete gelblich auf. Die Menschen standen auf. Sie knipsten Licht an, gähnten, äugten in den stürmischen Morgen hinaus und versuchten einzuschätzen, was der Tag bringen würde. Kate wünschte sich nichts sehnlicher, als drinnen im Warmen zu sein,
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