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Mord in Thingvellir

Mord in Thingvellir

Titel: Mord in Thingvellir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Blómkvist
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an meine verborgenen Muttergefühle rührte.
    Andrés und Rósa haben sich nie formell scheiden lassen. Daher haben sie das gemeinsame Sorgerecht für Fjóla, die noch lange nicht volljährig ist. Gesetzlich gesehen ist das Mädchen daher sein Problem.
    Andrés wollte sie ins Nordland bringen. In eine Entzugsklinik, wo er selbst der Macht der Rauschmittel entkam. Und ich war bereit, ihm zu helfen. Nicht, weil ich so begeistert von dem Glaubenseifer der Frischbekehrten bin. Ganz im Gegenteil. Aber es ist mit Sicherheit angenehmer, sich bisweilen ein Halleluja anhören zu müssen, als im Rauschgiftnebel in zum Tode verurteilten, abbruchreifen Häusern zu gammeln.
    Der Schlaf lässt immer noch auf sich warten.
    Schließlich ergebe ich mich. Stehe wieder auf, gehe nackt ins Wohnzimmer. Öffne den Barschrank, gieße einen Schluck Jack Daniels in ein Whiskeyglas. Nehme mein Getränk mit ins Schlafzimmer.
    Das liebliche Feuerwasser umspielt meine Zunge. Wie das herrliche Manna, das in der Wüste vom Himmel gefallen ist.
    »Halleluja!«
    Ich genehmige mir noch einen Schluck, setze mich ins Bett und decke mich mit der weichen, warmen Bettdecke zu. Greife nach den Morgenzeitungen, blättere eine nach der anderen durch.
    Die Leiche, die man in Thingvellir gefunden hat, ist die einer Frau.
    Das Klatschblatt DV bringt ein riesengroßes Foto vom Ertränkungspfuhl an dem Fluss Öxará. Von dem Pfuhl, in dem isländische Frauen in früheren Jahrhunderten ertränkt worden sind. Nur weil sie geliebt haben.
    Das Foto wurde von oben, von der Abbruchkante der Schlucht Almannagjá aufgenommen und zeigt, wie die Öxará in kleinen Wasserfällen den Steilhang hinuntersprudelt. Außerdem, wie der Fluss nördlich des alten Parlamentsplatzes am Gesetzesberg eine Biegung macht und von dort durch eine enge Schlucht unter einer alten Steinbrücke hindurchfließt, hinab ins Flachland und von dort aus in den See Thingvallavatn. Das Gelände um den Pfuhl und den Steilhang herum ist deutlich mit farbigen Bändern der Schwarzvögel abgesperrt. Kein Einlass für Schaulustige, während die Goldjungs am Tatort ermitteln.
    Die Leiche wurde durch puren Zufall gefunden, während deutsche Touristen an einer organisierten Rundfahrt durch den Nationalpark teilgenommen haben.
    »In der Gruppe befanden sich zwei jugendliche Clowns, die unbedingt auf den großen Steinen, die den Ertränkungspfuhl umgeben, balancieren mussten. Einer der beiden rutschte aus und fiel kopfüber in den Pfuhl«, berichtet Jóhanna Edvaldsdóttir, die Fremdenführerin der Deutschen, in einem Interview mit der Zeitung. »Der Bursche krabbelte wieder ans Ufer und sagte, dass er einen schwarzen Plastiksack auf dem Grund gesehen hatte. Er empörte sich darüber, wie es sich jemand erlauben könnte, Müllsäcke in die Öxará zu werfen.
    Sein Freund watete daraufhin in den Pfuhl und versuchte, mit dem Griff eines Regenschirmes nach dem Sack zu angeln. Dabei riss das Plastik auf und ein Teil der Leiche bekam Auftrieb. Es war wirklich ein Schock zu sehen, wie dickes, schwarzes Haar im Wasserstrom hin und her wogte.«
    Gemäß dem Zeitungsbericht sei noch nicht geklärt, wann das Mädchen im Pfuhl ertränkt wurde, aber es sei eindeutig, dass es sich um einen geplanten Mord handelt.
    »Der Ertränkungspfuhl weckt sowohl Interesse als auch Abscheu bei den Touristen, wegen seines geschichtlichen Hintergrunds«, fährt Jóhanna fort. »Besonders wenn ich versuche, ihnen vor Augen zu führen, wie die Machthaber früherer Zeiten das Todesurteil ausführten.«
    »Wie lief das ab?«
    »Normalerweise halfen die Umstehenden dem Henker, die zum Tode verurteilte Frau in einen groben Sack zu stecken, der aus Pferdehaaren gewebt war. Er legte ein paar schwere Steine mit hinein, genug davon gibt es ja in der Schlucht, und band den Sack sorgfältig zu. Dann schob er den Sack bis an die tiefste Stelle des Pfuhls und ertränkte die Frau.«
    »Ist sie schnell gestorben, was vermutest du?«
    »Das war sehr unterschiedlich«, antwortet Jóhanna. »Manchmal mussten nachträglich noch mehr Steine in den Sack gelegt werden, damit er richtig unterging und es ist mindestens ein Beispiel bekannt, bei dem der Henker seinen Stab benutzen musste, um den Sack mit dem verurteilten Mädchen unter die Wasseroberfläche zu drücken, bis es endlich nach langem Todeskampf im kalten Fluss ertrank.«
    Die Führerin erklärt weiterhin, dass sich zurzeit ungewöhnlich viel Wasser in der Öxará befindet, da der Sommer bisher ziemlich

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