Mord in Thingvellir
besser gesagt, das, was noch von ihm übrig ist.
Er hat sich verabschiedet.
Mit einem Knall.
Der Schuss aus dem großen Rentiergewehr hat blutige Fetzen seines Kopfes und seines Gehirns über das Gemälde des siegesgewissen Ritters auf dem weißen Pferd verteilt.
Der Drache ist gefallen.
56
Freitag, 17. Dezember
Nur noch eine Woche bis Weihnachten. Und ich bin schon im vierten Monat.
Ich dummes Huhn!
Je mehr Wochen vergingen, desto mehr bin ich davon überzeugt, nicht ganz dicht zu sein. Bescheuert. Völlig durchgeknallt.
Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr. Wenn alles normal verläuft, werde ich im Mai nächsten Jahres Mama sein.
Ich eine Mama? Come on!
Natürlich hätte ich genug Zeit gehabt, die Sache abzubrechen.
Aber ich habe es nicht getan.
Warum zum Teufel nicht?, frage ich mich. Oft, Tag für Tag.
Aber dann erinnere ich mich manchmal an das, was Ásleifur Oddgeirsson über den Drachen in sich gesagt hat. Dass er seinem natürlichen Instinkt dienen müsse.
Das war natürlich eine unsinnige Entschuldigung seinerseits.
Aber obwohl es unglaublich ist, schien der Wunsch, ein Kind zu bekommen, in meine Instinkte eingebaut zu sein. Meine Gene fordern, in einem neuen Individuum weiterleben zu dürfen. Und ich muss ihrem Willen gehorchen.
Außerdem möchte ich das auch. Aber nur manchmal.
Mein Silberpfeil braust schnell über die vierspurige Reykjanesbraut. Ich bin auf dem Weg zum internationalen Flughafen. Um Ludmilla abzuholen.
Die wird wohl von meinen Kapriolen überrascht sein.
In den letzten Monaten habe ich mich darauf konzentriert, mein Stellasparschwein aufzustocken. Nachdem mein Mandant von jeglichem Verdacht befreit war, am Mord im Ertränkungspfuhl beteiligt gewesen zu sein.
Es ist jetzt eine anerkannte Tatsache, dass Ásleifur Soleen nicht absichtlich umgebracht hat.
Gemäß seines schriftlichen Geständnisses fuhr er an diesem schicksalsträchtigen Freitagabend zu Árni Geir, um »Soleen zur Vernunft zu bringen«. Er schlug sie, ihr Kopf knallte auf das Weinregal, und sie starb sofort an dieser Verletzung. Er beschloss, sich selbst und seinen Freund Árni Geir vor Schwierigkeiten zu bewahren, indem er die Leiche versteckte. Er wählte den Ertränkungspfuhl in dem Glauben, dass die Geschichte des Ortes dazu führen würde, den Verdacht des Bezirksverwalters auf Soleens Vater und ihren Cousin zu lenken. Hat zum gleichen Zweck den Starter aus dem Altmetallcontainer von Toppautos geholt.
Das alles hatte den gewünschten Erfolg.
Niemand hat diesen Bericht offiziell in Zweifel gezogen. Nicht zuletzt deshalb, weil man winzige Blutreste von Soleen auf dem spitzen Ende eines Weinregals im Keller gefunden hat. Die Stahlspitze passte auch zu ihrer Kopfverletzung. Laut Befund des Rechtsmediziners.
Ásleifur hat sich »um alles gekümmert«, wie er seiner Tochter versprach, kurz bevor er sich erschossen hat. Das Geständnis ist wasserdicht. Und Gunnhildur erbt den Großteil seines Eigentums gemäß einem relativ neuen Testament. Also ist sie auf gutem Weg, ihr Ziel zu erreichen:
Reich zu sein, bevor sie dreißig wird.
Zuerst hat sie sich geweigert, die Geldeintreiber mit den Schlupfmützen namentlich zu nennen, die mich am Hafravatn überfallen und dann den Tresor gestohlen haben. Wahrscheinlich, weil sie mich für den Selbstmord von Ásleifur verantwortlich gemacht hat. Obwohl er sich natürlich darüber im Klaren war, dass das Spiel verloren ist, bevor ich zu Besuch kam. Sonst hätte er sein Geständnis nicht bereits zur Hand gehabt.
Aber Gunnhildur konnte es sich nicht länger leisten, den Grund des Überfalls zu verschweigen. Und da stellte sich heraus, dass meine ursprüngliche Überlegung richtig gewesen war: Sie hat für Eddi Event-Ratte Rauschgift verkauft, der sie mit Drohungen und Prügeln dazu gebracht hat, mich an seine Geldeintreiber zu verraten.
Der schleimige Einar hat seinen Einfluss hinter den Kulissen geltend gemacht, um zu verhindern, dass Árni Geir wegen Behinderung polizeilicher Ermittlungen angeklagt wird. Und das gelang ihm. Zumal Ásleifur in seinem Geständnis betont hat, dass Árni Geir nicht wusste, dass Soleen in seinem Haus gestorben ist.
Das könnte natürlich stimmen.
Leider kam die offizielle Klärung des Falles für Múhammed und Fadíma Grebase zu spät. Sie hatten genug von der Ablehnung und den Anfeindungen in Island und wollten wieder zurück in ihre alte Heimat, den Irak.
Múhammed kam in meinem Büro vorbei, bevor sie das Land verließen, um
Weitere Kostenlose Bücher