Mord in Thingvellir
sich zu verabschieden.
Er hatte ein kleines Buch dabei.
Den Koran auf Kurdisch.
»Soleen hat Gottes Wort aus diesem Buch gelernt«, sagte er. »Ich möchte dich bitten, es für uns alle aufzuheben. Mir wird es viel besser gehen, wenn ich weiß, dass das Buch meiner Tochter in guten Händen hier auf Island ist, wo sie in Ewigkeit ruhen wird.«
Als ich an der Ausfahrt nach Grindavík vorbeigefahren bin, gucke ich wieder auf die Uhr, sehe, dass ich fast zu spät komme, und gebe dem kräftigen Motor noch einmal anständig Gas.
Die sterblichen Überreste von Marie Fauré sind zum Begräbnis nach Frankreich überführt worden. Im Anschluss bekam ich einen Dankesbrief von Céline Dupart. Obwohl die Heimkehr von Marie sicherlich nicht von der Art war, auf die sie so lange gehofft hatte.
Grímur und Eddi Event-Ratte warten beide auf ihr Urteil. Als Thórdís schließlich zugegeben hat, dass sie zugesehen hat, wie Grímur Marie vergewaltigt, sie im Pfuhl ertränkt und die Leiche im Fundament versteckt hat, wandte sich Grímur wiederum gegen Eddi Event-Ratte und beschuldigte seinen Kumpel, die Verantwortung für diese Straftaten zu tragen. Er hätte Marie ebenfalls vergewaltigt und wäre ebenso an ihrem Tod beteiligt gewesen. Der Staatsanwalt beschloss daher, am Ende beide für den Mord und die Vergewaltigung anzuklagen.
Es ist unwahrscheinlich, dass Thórdís angeklagt wird, da sie erst vierzehn Jahre alt war, als sie Zeugin des Verbrechens in Klettur wurde. Aber sie hat ihre Stelle bei den Goldjungs bereits verloren.
Was mich angeht, ist das alles Geschichte. Vergangenheit.
Ich muss mich auf große Veränderungen in meinem Leben vorbereiten. Aufhören, von einem Tag auf den anderen zu leben. Muss weiter vorausschauen als nur bis morgen oder nächste Woche. In die Zukunft planen. Für uns beide.
Das Flugzeug aus Frankfurt ist schon gelandet, als ich in die Ankunftshalle komme, wo schon viele Leute auf Bekannte und ihre Lieben warten, die aus dem Ausland zurückkommen.
Ludmilla geht gerade durch die Zollabfertigung. Sie guckt sich suchend um, sieht mich. Und winkt freudig.
In ihren Augen spiegelt sich die pure Freude.
»Willkommen!«, begrüße ich sie. Umarme sie fest. Küsse ihre weichen Lippen. Und betrachte lange das lächelnde Gesicht, das ich so gern habe.
»Du hast ja ein bisschen zugenommen«, sagt sie lachend.
»Das ist kein Fett.«
»Nicht?«
Ich schüttele den Kopf.
»Ich weiß, dass ich bescheuert bin«, sage ich. Nehme ihre rechte Hand. Lege ihre Handfläche auf meinen kleinen Bauch.
Da fällt bei ihr der Groschen. Und sie beginnt, lauthals zu lachen.
»Wunderbar bescheuert.«
Sagt Ludmilla.
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