Mord Unter Segeln
stellte das Tablett mit der Flasche und drei weiteren Gläsern auf den Tisch und sagte: »Wissen Sie, ich bin unendlich dankbar, dass Ilka hier ist. Nicht nur, weil Simone tot ist, sondern wegen Sophie. Es ist so schön zu sehen, wie die beiden miteinander umgehen, da geht einem vor Freude das Herz auf. Sophie hat übrigens große Ähnlichkeit mit Ilka, das haben die beiden aber auch schon festgestellt. Ilka hat alte Fotoalben von sich, Simone und den Eltern mitgebracht, Sophie kannte diese Aufnahmen gar nicht.« Ein Hauch von Traurigkeit schlich sich in seine Stimme. »Aber das steht ja auf einem vollkommen anderen Blatt. Es ist jedenfalls ein eigenartiges Gefühl, dass die beiden sich nun unter diesen Umständen kennenlernen.« Er hob nachdenklich den Kopf, sein Blick schweifte in unbekannte Weiten. »Ich weiß gar nicht, ob Simone es zugelassen hätte, dass Sophie Ilka vor der Transplantation kennenlernt«, überlegte er laut.
»Vor der Transplantation?«, fragte Christine alarmiert.
»Ja. Hab ich das nicht erzählt?« Peter Gerjets schüttelte den Kopf. »Nein, wohl nicht, es ging ja schließlich nicht um Sophie, sondern um Simone oder … na ja, … um die Umstände ihres Todes.« Er räusperte sich.
»Moment. Das ist jetzt kolossal wichtig«, entgegnete Christine. »Hab ich Sie da richtig verstanden? Ihre Schwägerin kommt als Stammzellenspenderin in Frage?«
»Jaja.« Peter Gerjets sah Christine und Oda an. »Deswegen hatte Simone bei ihr angerufen. Hab ich Ihnen doch erzählt.«
»Das schon, aber Sie haben nichts davon gesagt, dass Ihre Schwägerin tatsächlich als Spenderin in Frage kommt.«
»Das hat ja auch nichts mit Simones Tod zu tun. Wahrscheinlich hab ich deshalb nicht daran gedacht, es Ihnen zu sagen. Dass die Stammzellenspende tatsächlich stattfinden kann, weiß ich allerdings auch erst seit Mittwoch. Ilka sagte das, als sie auf der Insel ankam.«
»Deshalb die vielen Anrufe in Hooksiel«, entfuhr es Oda.
»Ja.« Gerjets lächelte traurig. »Wenn Sophie nicht krank geworden wäre, hätte Simone sich nie mit Ilka in Verbindung gesetzt. Ich hab all die Jahre immer mal wieder versucht, mit ihr darüber zu reden, aber Simone sagte jedes Mal, sie wolle nicht, dass Sophie mit einer Tante zu tun hat, die ihre eigenen Probleme nicht in den Griff bekommt. Die in die geschlossene Psychiatrie musste. Ich hab versucht, Simone klarzumachen, was das damals für Ilka und auch für mich bedeutet hat, aber sie hat nichts davon wissen wollen.«
»Jetzt aber schon«, stellte Christine fest.
»Ja. Weil Simone hoffte, dass Ilka Sophie helfen könnte.«
»Und dann stand fest, dass sie Spenderin sein kann?«, vermutete Christine.
»Ja.« Peter Gerjets klang nicht begeistert, relativierte seinen Tonfall aber sofort. »Auf eine Art war Simone erleichtert, andererseits aber auch ziemlich angefasst, weil Ilka Sophies Leben retten konnte, sie selbst jedoch nicht. Ich hab versucht, sie zu beruhigen, es ist doch egal, von wem unsere Tochter die Stammzellen bekommt, aber …« Gerjets machte eine kleine Pause, »dann ging das Drama los.« Er griff nach der Wasserflasche und setzte sie, ohne überhaupt nur nachzudenken, an den Mund. Christine, Oda und Dirks sahen ihm schweigend zu.
»Das Drama?«, fragte Oda stirnrunzelnd.
»Tja. Ilka konnte spenden, weigerte sich jedoch, es zu tun.«
Stille breitete sich aus.
»Aber jetzt spendet sie doch. Weil Simone sie überredet hat?«, fragte Christine.
»Ja. Das war ein schwieriger Kampf. Der Termin ist nächsten Freitag.«
Was für ein schicksalsträchtiger Tag, dieser kommende Freitag, dachte Christine spontan. Sophie würde die Stammzellenspende bekommen und sie selbst an dem Tag geschieden werden. Freud und Leid lagen tatsächlich dicht beieinander. Oda riss sie aus ihren Gedanken.
»Haben Sie die Handynummer Ihrer Schwägerin?«
***
Die Warteschlange an der Kasse im Supermarkt an der Barkhausenstraße war überraschend kurz. Normalerweise drängelten sich um diese Uhrzeit die Touristen nach einem langen Strandtag, um mit frischen Einkäufen für das Abendessen in der Ferienwohnung gerüstet zu sein. Die junge Frau an der Kasse kannte Ilka nicht, und sie war froh darüber, nicht auf ihre Einkäufe angesprochen zu werden, die sie aus reiner Vorsichtsmaßnahme um ein paar Tomaten, einen Kopf Salat, eine Gurke und drei Pakete Grillwürstchen aufgestockt hatte. Sicher war sicher. Nun sah alles nach einem spontanen Grillabend aus. Als sie den Supermarkt verließ,
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