Mord
mit drei Leuten, die war auf jemand anders zugelassen gewesen, Souterrain. Wir haben die Bude genommen, weil wir echt so viel Geld hatten und keiner wusste, wohin damit. Wir konnten ja auch nicht immer mit neuen Sachen antanzen, wenn wir wieder einen Fischzug gemacht hatten. Acki Schulz bekam einen kleinen Elektroladen, da konnten wir quasi Geldwäsche machen. Nee, jetzt plötzlich ein braver Bürger werden, das war ja nun gar nicht mein Bestreben. Arbeit, na klar, offiziell haben wir immer gearbeitet. Das ist meist nicht lange gutgegangen. Ich hab wieder angefangen zu zocken, war wieder im Kiez. Nach außen hin hab ich für die Mutter was getan.»
Acki war der Sohn von «Radio Schulz», dem Radiogeschäft, seine Eltern waren geschieden. Mit ihm und Karl Lehmann war er zusammen eingefahren. Lehmann war der Sohn von «Würstchen-Lehmann». Der haute im August 1962 ab und ging in die Fremdenlegion. Sie hatten zusammen Einbrüche gemacht, gezockt, im Kiez verkehrt. Im Grunde genommen waren sie eine Jugendbande, wohnten offiziell noch bei den Eltern, in einem gutbürgerlichen Umfeld, das nicht mitbekam, was da lief.
Am Tag vor der Tat im Mai 1962 feierten sie die Verlobung von Acki Schulz mit seiner Freundin Inge, die auch Geburtstag hatte. Die Feier fand bei ihren Eltern in Haselhorst statt, ein Riesenbesäufnis, das bis tief in die Nacht ging. Wolkow wusste später nicht mehr, wie lange. Er selbst war allein da, ohne Freundin. Sie waren eine kleine Runde, vielleicht zehn Leute, als Inges Eltern sich zurückgezogen hatten. Er wusste auch nicht mehr, wie es endete. Nur dass es irgendwie einen Riesenstreit gegeben hatte, weil jemand eine Waffe liegengelassen hatte, und dass er nach Hause gefahren wurde. Er konnte nicht mehr sagen, wo sie ihn abgesetzt hatten und wo er die Nacht verbracht hatte. Er hatte auch vorher schon ab und zu im Freien übernachtet, damit hatte er keine Probleme.
An den Tattag habe er überhaupt keine Erinnerungen, sagte Wolkow einfach. Das Einzige, was übrig geblieben sei: die geballte Hand des Kindes. Die habe ihn auch in seinen Träumen heimgesucht. Er ist später noch mal zum Tatort in der Hoffnung, das alles nur geträumt zu haben. Drei- oder viermal war er noch da und hat überlegt. Es hat ihn ja eine riesige Angst beherrscht: Was ist da passiert, wann und warum? Es war vollkommen weg, sagte Wolkow.
Ich nahm ihm das nicht ab, ganz und gar nicht. Ich zeigte auf die rote Ermittlungsakte: Bei der polizeilichen Vernehmung 1980 , als er die Tat von 1962 gestanden habe, da habe er doch viel gewusst vom Tatgeschehen. Das habe der Polizeibeamte Adam rausgeholt, sagte Wolkow. Er habe nur noch gesagt: Schreib, was du willst. Er kannte Adam, mit dem war er groß geworden, er war der Einzige aus der Gruppe, der den Absprung geschafft hatte. Der hatte die alten Akten rausgeholt und ihm alles vorgelesen. Dann haben sie beide beratschlagt, wie es gewesen sein könnte.
Aber das redete Wolkow daher wie so viele, die sich nicht mehr erinnern wollen. In Wahrheit hatte der vernehmende Polizeibeamte überhaupt keine Ahnung von dieser lang zurückliegenden Tat, als Wolkow 1980 sein Geständnis ablegte. Seine Schilderung wurde dann mit früheren, ungelösten Fällen abgeglichen. Erst da fand man heraus, dass er dieses erste Verbrechen im viel zu kalten Mai 1962 begangen hatte, an dem Tag, als Sonny Liston Boxweltmeister im Schwergewicht wurde. Die Tat wurde in den frühen Nachmittagsstunden begangen, Fritz Wolkow lockte das spielende Kind zu sich, sagte ihm, er wolle ihm einen toten Hasen in einem Gebüsch zeigen. In einer kleinen Lichtung im Buschwerk erdrosselte er die Fünfjährige mit ihrer Strickjacke, entkleidete den Unterkörper des toten Mädchens und presste seinen Finger in ihre Scheide. Er verursachte dabei einen Riss der Scheidenwand und des Dammes bis zum Mastdarm und zum After. Nach der Tat flüchtete er. Fünf Tage später war er in Sicherheit, wieder in Haft, wegen Einbrüchen.
Die Jahre gingen dahin. Zusammen mit seinem Kumpel verließ Fritz Berlin über die Interzonenautobahn. Kurz vor Magdeburg fuhren sie unerlaubt runter von der Autobahn, um einen Abstecher zu seinem Geburtsort zu machen, und auf der anderen Seite der Elbe wieder rauf. Umgehend wurden beide von der Volkspolizei festgenommen, Fritz hatte Talent darin, festgenommen zu werden, nur für seine Verbrechen nicht, die blieben unentdeckt. Er wurde mehrere Tage festgehalten und dann nach Helmstedt überstellt. Dort war die
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