Der Schweizversteher
Wie alles anfing
Jedes Buch fängt irgendwo an, aber dieses Buch hatte
mehr als einen Anfang, und jeder Anfang musste sein Ende finden.
Am ersten Anfang stand ein Job bei dem Reisemagazin Holiday Which? Dort versuchten sie ihr Glück mit mir und
unterstützten mich bei meinem Anliegen, Reiseschriftsteller zu werden. Alles,
was dieses Buch ausmacht, habe ich dort gelernt; ohne diese Erfahrung wären die
folgenden Seiten leer.
Der zweite Anfang war meine Begegnung mit Gregor, die
zur Folge hatte, dass ich Stammgast auf den easyJet-Flügen zwischen London und
Genf wurde. Eine Fernbeziehung hat mein Konto nicht gerade ins Plus gebracht
und auch nur wenig dazu beigetragen, meine Abneigung gegen Flughäfen abzubauen,
aber sie hat mir die Chance gegeben, mich in ein anderes Land zu verlieben.
Der dritte Anfang war eine nicht enden wollende
Krankheit und der Rat meines Arztes, meine Stelle an den Nagel zu hängen, aus
London wegzuziehen, mich an der frischen Luft aufzuhalten und gesund zu werden.
Goodbye Britain, hello Switzerland! Für mich kam weder ein Sanatorium am See
noch eine exklusive Klinik infrage, stattdessen lieà ich mich in Bern nieder
und habe es nie bereut.
Meine Ankunft in der Schweiz war der vierte Anfang.
Ausgerüstet mit einer Menge Freizeit und einem Generalabonnement für die Schweizer Eisenbahn, vergleichbar mit der deutschen BahnCard
100 , erforschte ich Landesteile, von denen ich noch nie gehört hatte.
Und mir wurde klar, dass es mit diesem Land mehr auf sich hatte, als ich ahnte.
Sehr viel mehr.
Seinen fünften Anfang nahm das Buch dann in einem
Schreibworkshop in Genf. Ich schrieb einen Satz nieder, der mir schon eine
Weile durch den Kopf gegangen war, und daraus wurde ein Absatz. Monate später
war ein Kapitel daraus geworden, mit dem ich einen Agenten fand, der mir einen
Verlag besorgte, der mich für ein ganzes Buch unter Vertrag nahm.
Sein letzter (der deutschsprachige) Anfang war das
Ergebnis des Bucherfolgs in der Schweiz. Die Originalausgabe schlug auf Anhieb
ein und wurde zum bestverkauften englischen Buch des Jahres. Und es wurde nicht
nur von englischsprachigen Ausländern erworben â die Schweizer selbst haben es
begierig verschlungen. Binnen weniger Wochen erhielt ich E -Mails
von glücklichen Lesern aus der ganzen Schweiz und dem befreundeten Ausland.
Anscheinend sind die Schweizer, wie jede andere Nation, neugierig darauf, wie
andere sie wahrnehmen, vor allem wenn dieser »andere« in ihrer Mitte lebt. Wie
es ein Leser formulierte: »Ich schätze immer den Blick von auÃen auf Dinge, die
so vertraut und alltäglich sind, dass wir gar nicht darüber nachdenken.«
Anderen gefielen die Beschreibungen in dem Buch â »Ich habe mich und mein Land
in dem Buch wiedererkannt« lautete ein typischer Kommentar â und die
Beobachtungen: »Sie zeigen Zuneigung zu dem Land, ohne ein unrealistisches
Paradies auf Erden daraus zu machen, und sind kritisch, ohne beleidigend zu
werden.«
Dass so viele Menschen sich die Zeit nahmen, mir
E-Mails zu schreiben, erfreute und erstaunte mich. Aber das war nichts im
Vergleich zu den nichtvirtuellen physischen Rückmeldungen. Positive Reaktionen
begegneten mir auf Schritt und Tritt: in der Berner Trambahn Linie 9, in
einem Zürcher Supermarkt, zu Fuà unterwegs in Genf, an meinem Arbeitsplatz.
Anfangs wusste ich nicht so recht, was ich von dieser unerwarteten Offenheit
seitens mir unbekannter Schweizer halten sollte â nach sechs Jahren in der
Schweiz eine ganz neue Erfahrung. Und selbstredend fragte ich mich, wie es dazu
kam. Hatte das Buch sie so tief berührt, dass mir die Schweizer das bei einem
Restaurantbesuch mitteilen mussten? Meinten sie, mir als Fremdem würde es
nichts ausmachen, wenn ich beim Tomatenkaufen angesprochen werde? Vielleicht
glaubten sie ja, mich nach der Lektüre meines Buchs ein wenig zu kennen? Oder
sie hatten mich im Schweizer Rundfunk gehört oder einen der vielen
Zeitungsartikel gelesen und hielten mich daher für einen zugänglichen Menschen?
Was auch der Grund gewesen sein mag, die Resonanz war ein schönes Erlebnis. In
einer Zeit, in der die Politik in der Schweiz immer fremdenfeindlicher wird,
ist es erfrischend, dass so viele Schweizer sich mit diesem einen Ausländer
persönlich austauschen wollen.
Natürlich gab es auch Schattenseiten. Ein Mann hatte
Einwände gegen meine Ausführungen über den Zweiten
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