Mord
Seitentasche seiner Jeans ein spitzes Küchenmesser und stach dem Jungen in den Hals und mehrmals in die linke Brust. Diese Stiche trafen das Herz und führten zum Tod. Oberhalb der Peniswurzel brachte er Peter eine bogenförmige Schnittwunde bei, ließ dann aber von ihm ab. Er warf das Messer weg und kämpfte mit Brechreiz, der Geruch des Blutes.
Vielleicht war alles auch ganz anders abgelaufen. Vielleicht hatte er dem Jungen gedroht, ihm sein Glied abzuschneiden, und dabei diesen bogenförmigen Schnitt gesetzt. Vielleicht hatte der Junge geschrien und sich gewehrt und er ihn deshalb gewürgt und schließlich erstochen. Sicher ist, dass Fürstner anschließend Wasser und Scheuerlappen holte, Leiche und Lederhose unter das Bett schob, den Boden säuberte und sein Hemd von Blutspuren reinigte. Das Messer wusch er ab und legte es zurück in die Tischschublade.
Er wartete auf die Rückkehr seiner Mutter, die gewöhnlich kurz nach 18 Uhr von der Arbeit heimkam. Schließlich nahm er zwei Groschen aus dem Geldbeutel seiner Mutter und verließ die Wohnung. Um 19 Uhr 46 rief er die Funkstreifenzentrale an und erklärte, dass in der Walterstraße 12 ein 10 -jähriger Junge erstochen unter einem Bett läge; Täter sei ein gewisser Hinrich Fürstner, der im Moment nicht da sei, aber bald zurückkehren werde. Anschließend trank er am Kiosk ein Bier und kehrte nach Hause zurück, stellte sich dort den Polizeibeamten.
Nach der Festnahme erzählte Hinrich Fürstner wochenlang stets neue Tatversionen. Er bestritt jedes sexuelle Interesse, Peter sei wie ein kleiner Bruder gewesen. Der habe bei ihm auf dem Schoß gesessen, als er ihm in der Küche ein Brot gestrichen habe, bei laufendem Fernsehprogramm, und dabei sei es versehentlich zu der Stichverletzung gekommen, mit dem Brotmesser. Die Wunde habe so geblutet, da habe er die Blutung am Hals abdrücken wollen. Daher stammten die scheinbaren Würgemale. Und in dem Durcheinander habe er Peter auch unbewusst die Lederhose ausgezogen. Über Wochen näherten sich die Geständnisse schließlich der Spurenlage an.
Nach einem Jahr wurden die Termine der Gerichtsverhandlung festgelegt. In diesem Moment teilte der Verteidiger mit, dass nach neuer Einlassung seines Mandanten nicht der Angeklagte, sondern dessen Mutter, die zur Tatzeit 53 -jährige Magdalene Fürstner, Peter Herzog getötet habe. Hinrich Fürstner erklärte in einem ausführlichen Schreiben, dass er am Tattag gegen 19 Uhr 15 nach Hause gekommen sei. Da war es schon geschehen. Seine Mutter hatte den Jungen umgebracht, im Affekt, als sie ihn beim Stehlen erwischt hatte. Dass er keine Hose anhatte, am Unterkörper nackt war, lag daran, dass die Mutter ihn an der Lederhose weggeschleift habe. Die Hose habe sich dabei vom Körper des Jungen gelöst. Aus Liebe zur Mutter habe er sich dann bemüht, die Tatspuren zu verwischen, und die Absicht gehabt, die Leiche in einem großen Koffer wegzubringen. Sie hätten aber gemerkt, dass das alles nicht ging. Schließlich habe die Mutter ihn angefleht, dass sie nicht mit ihren 53 Jahren noch eingesperrt werden wolle. Er habe daher aus Liebe zu ihr die Tat auf sich genommen.
Nach dieser Aussage wurde Magdalene Fürstner nochmals ins Polizeipräsidium gebeten. Die Beamten glaubten die neue Version nicht, sie hatten schon zu viele andere gehört, die auch nicht stimmten; aber man wollte sie dazu befragen, was sie vielleicht schon vorher am Tattag mit Hinrich besprochen hatte.
Magdalene trat von der Straße in die angenehme Kühle des Hauses und wurde wieder in das Vernehmungszimmer geleitet, sie trug das gleiche hellblaue Kostüm wie ein Jahr zuvor. Sie wusste nicht, warum sie nach so langer Zeit noch mal gerufen wurde. Am Telefon war gesagt worden, man habe noch ein paar Fragen. Vielleicht half es ja Hinrich, dachte sie. Der Beamte fragte zunächst, ob ihr Sohn nicht doch zu Hause gewesen sei, als sie heimkam. Nein, war er nicht. Dann eröffnete der Beamte ihr, was Hinrich gesagt hatte, dass sie, die Frau Fürstner, aus Wut den Peter getötet hätte und dass er nur aus Liebe zur Mutter die Tat auf sich genommen habe.
Sie starrte den Beamten mit schräg gehaltenem Kopf und gerunzelter Stirn verständnislos an: «Hat er das zu Ihnen gesagt?» Nein, das habe der Verteidiger in einem längeren Schriftsatz mitgeteilt, als Aussage ihres Sohnes. Sie würden den Sohn dazu aber auch noch mal befragen. Frau Fürstner war jetzt im Gegensatz zu damals ganz still und wortkarg,
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