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Mordshunger

Titel: Mordshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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offensichtlich, dass jedermann ihn übersah.
    Cüpper zog die umgekehrte Arbeitsweise vor und ließ sich von den Spuren finden. Er bewegte sich in einer unbekannten Welt, nämlich der des Mörders. Er konnte die Hinweise nicht kennen, die Details nicht erahnen, die ihn weiterbringen würden.
    Aber er konnte durch eine Wohnung gehen und sich überraschen lassen.
    Als Erstes aß er die verbliebenen zwei Äpfel auf. Krügers Leute hätten ihn in den Arsch getreten, aber sie waren gerade sämtlich im Schlafzimmer verschwunden. Praktisch. Vorerst hatte man hier seine Ruhe.
    Ohne Eile ging er wieder in die Diele und starrte den riesigen Fleck an, und der Fleck starrte zurück. Ein monumentales Auge aus geronnenem Blut, ein Geheimnis, das die Suggestion des Schreckens aus der Andeutung bezog. Was immer sich hier abgespielt hatte, wurde in dem schwarzen See lebendig, wenn man nur verstand hineinzublicken.
    Cüpper ging näher heran. Nach und nach ergänzte er die Szenerie um die Tote, die Art, wie sie verkrümmt halb in der Garderobe, halb in der Tür gelegen hatte, den heruntergerissenen Blazer so fest umkrallt, dass man ihr die Finger hatte brechen müssen. Gleich daneben die verschmierte Klinge. Er sog den metallischen Geruch des Blutes in sich auf und konzentrierte sich auf die Waffe. Sah Inka von Barneck an seiner statt dastehen, das Gesicht zur Garderobe gewandt, hinter sich den schwarzen Schatten. Gab sich der Vorstellung hin, er sei Inka von Barneck. Wurde an den Haaren gezogen, zurückgerissen, während das Messer wie eine Schranke heruntersauste und seitlich wegzog. Riss die Arme hoch im Sturz.
    Und fing sich, die Augen fest geschlossen.
    Der Blutdunst wurde intensiver. Anklagend, faulig. Cüppers innerer Blick, nun aus der Perspektive des Mörders, betrachtete die Frau, die tot vor ihm lag, aufgeschlitzt von seiner Hand. Ruhig legte er das Messer neben sie.
    Und entspannte sich.
    Mit einem Mal wusste er, was ihn an der Waffe irritiert hatte.
    Der Geruch war verflogen, hatte nur in seinem Kopf existiert. Was blieb, war ein großer Fleck, nichts weiter. Cüpper gönnte sich ein Lächeln der Zufriedenheit und ging ins Schlafzimmer.
    Das Bett war sauber bezogen, glatt gestrichene Laken, Kopfkissen ordentlich aufgeschüttelt, keine Decke. Im Kölner Kessel herrschte seit Wochen drückende Schwüle. Ungeachtet der ständigen Regengüsse und Gewitter konnte man nachts kein Auge zutun, weil einen die Luft umgab wie warmer Kleister. Inka von Barneck hatte wohl nichts über sich ertragen können, jedenfalls nichts Textiles.
    Aufmerksam untersuchte er das Kopfkissen.
    »Keine Haare«, sagte Krügers Stimme unter dem Bett.
    »Was?«
    Krügers Kopf erschien, die reine Ausdruckslosigkeit.
    »Hat allein geschlafen.«
    »Und da sind keine Haare drauf gewesen? Nicht mal ihre?«
    Krüger sah ihn an, als erwäge er, auf eine derart blöde Frage gar nicht erst zu antworten.
    »’türlich«, sagte er schließlich und tauchte wieder ab.
    Cüpper gab es auf. Hier war er überflüssig.
    Im Wohnzimmer packte ihn der Ehrgeiz. Er zog ein paar transparente Handschuhe über, ließ sich auf alle viere nieder und nahm jeden Quadratzentimeter Fußboden unter die Lupe. Die Pfadfinder der Kripo hatten tüchtige Arbeit geleistet, aber dennoch – er war besser als der schnöselige Krüger mit dem Ungesicht. Tatsächlich wurde er nach einer Weile fündig. Etwas glitzerte im hohen Flor des Teppichbodens vor der Couch. Als er behutsam danach griff, hielt er eine einzelne Paillette zwischen den Fingern.
    Inka von Barneck hatte kein Paillettenkleid getragen. Cüpper stand auf und öffnete der Reihe nach alle Schränke und Schubladen. Klamotten ohne Ende, aber nichts mit Pailletten.
    Der Boden war sauber. Offensichtlich hatte man ihn erst vor kurzer Zeit gereinigt, mindestens gesaugt. Was darauf schließen ließ, dass die Paillette noch nicht lange hier gelegen hatte.
    Immerhin! Eine Paillette!
    Cüpper platzte fast vor Schadenfreude, ging zurück ins Schlafzimmer und machte Krüger eine lange Nase. Er hätte ebenso gut mit einer Wand sprechen können. Krüger nahm das Fundstück unbewegt zur Kenntnis, gab ihm eine Nummer und verlor das Interesse.
    Blödmann.
    Als Cüpper eben beschlossen hatte, sich zu trollen, fiel sein Blick auf das Telefon neben der Couch. Drum herum alles mögliche Zeug, Notizbücher, aus Zeitschriften geschnittene Plattenkritiken, ein Programm der Philharmonie, diverse Kugelschreiber und ein kleiner Abreißblock, oberstes Blatt

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