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Mordskerle (German Edition)

Mordskerle (German Edition)

Titel: Mordskerle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Schley
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entschieden hatte, nicht mehr Geld als vorher.
    Trotzdem wurde der Ausbau des Jachthafens beschlossen, damit ebenso die horrende Summe von 1,2 Millionen Euro, von der noch keiner im Magistrat auch nur annähernd eine Ahnung hatte, woher man das Geld eigentlich nehmen wollte.
    Der Bürgermeister unterdrückte ein weiteres Gähnen. Sein Gegenüber hatte seit anderthalb Stunden kein Wort mehr gesagt, daraus durfte man schließen, dass er mit offenen Augen schlief und er war nicht der Einzige.
    Momentan referierte der Leiter des Ausschusses für Ordnung und Verkehr, also ein Mann, der mitverantwortlich war für die Verkehrsführung in der Stadt. Seit einer halben Stunde versuchte dieser Mann zu erläutern, wieso eine gerade erst beschlossene Umleitung, die das tägliche Verkehrschaos in der Innenstadt auflösen sollte, bereits wieder zurück genommen werden musste, was ihm bislang nicht sehr überzeugend gelungen war.
    Der Bürgermeister ermahnte deshalb den Redner zum zweiten Mal, zum Schluss seiner Ausführungen zu kommen. Es war fast Zwölf.
    Eine Viertelstunde nach Mitternacht konnte die Sitzung endlich geschlossen werden.
    Der Bürgermeister und sein Stellvertreter verließen das Rathaus als Letzte über eine enge Treppe, die zu einem zweiten Ausgang führte. Von hier aus gelangte der Bürgermeister direkt zum Hinterhof, wo er, das wusste jeder, sein Fahrrad abstellte, was immer wieder auch zu einer leichten Belustigung bei den anderen Magistratsmitgliedern sorgte.
    Sein Stellvertreter schien indes gar nicht aufhören zu wollen, zu reden. Mochte der Himmel wissen, woher der jetzt noch so viel Elan nahm, dachte der Bürgermeister leicht ermattet, während er sich selbst bei seinen Kommentaren auf die Worte des Vize auf ein kurzes „Ja“ oder „Nein“ beschränkte.
    Die Tür fiel hinter den beiden Männern zu.
    „Wo stehen Sie?“, wollte der Stellvertreter wissen und meinte damit nicht die politische Herkunft seines Chefs, sondern dessen Parkplatz.
    Der Bürgermeister nickte in das Halbdunkel des schlecht beleuchteten Hinterhofs. „Gleich da vorne.“
    „Warten Sie, ich gehe das Stück noch mit“, bot der Stellvertreter ohne zu zögern an, was nichts anderes bedeutete, als dass er weiter reden wollte, immer noch und immer wieder.
    Der junge Bürgermeister beschleunigte seinen Schritt, als hoffte er, den lästigen Störenfried, der wie eine Klette an ihm hing, so abzuschütteln. Doch der Vize war hartnäckig. Das immerhin zeichnete ihn aus, wenn es auch ansonsten nicht viel Erfreuliches über ihn zu sagen gab.
    Plötzlich blieb der Bürgermeister mit einem Ruck stehen. Sein Stellvertreter tat es ihm gleich, obwohl ihm nicht klar war, warum.
    „Was ist?“, fragte er irritiert und ließ einen angefangenen Satz auf halber Strecke in der Luft hängen.
    „Verdammt!“ Der Bürgermeister konnte plötzlich fluchen wie ein ganz normaler Mensch. „Verdammter Mist! Mein Fahrrad! Mein Rad ist weg!“
    Der Stellvertreter atmete einmal tief ein, fasste sich jedoch schnell und dann mit einem einzigen Satz die Situation zusammen: „Geklaut! Kein Zweifel: GEKLAUT! Das waren bestimmt die vom Ostring.“ Womit er das Stadtviertel mit den Hochhäusern aus grauem, hässlichem Beton meinte, das sich im Laufe der Jahre zu einer Enklave der Migranten vom Balkan entwickelt hatte.

2. Kapitel
    K aum, dass er die Fußgängerzone hinter sich gelassen hatte, konnte der Junge sich nicht entscheiden, welche Richtung er jetzt einschlagen sollte. Soviel allerdings stand fest: Es war absurd, mit dem Rad über der Schulter das Haus betreten zu wollen, in dem außer ihm und seiner Familie ungefähr eine – gefühlte - halbe Million andere Leute wohnten, von denen mindestens ein Drittel in den offenen Wohnungstüren stand und die Treppe bevölkerte, wenn er unten den Hausflur betrat. Und alle, die nicht aus ihren Türen guckten, lehnten ganz bestimmt an ihren Fenstern und hatten ihn schon erkannt, während er noch meinte, kein Mensch hätte ihn gesichtet.
    Außerdem: Wie sollte er seiner Familie erklären, dass er plötzlich ein Fahrrad besaß? Das glaubte ihm doch keiner, wenn er behauptete, er hätte es irgendwo „gefunden“, einfach so, als wäre es total normal, dass teure, verchromte Fahrräder herrenlos an irgendwelchen Hausecken lehnten, gewissermaßen dort nur abgestellt, um von irgendjemand mitgenommen zu werden!
    Tims Atem ging keuchend. Er fuhr jetzt schnell, sehr schnell, und weil es sehr lange her war, dass er sich derart

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