Mordskerle (German Edition)
Allerdings fiel auch einmal der Name Annelie Klüver. Ihre Mutter und Herr Lentz hatten irgendwann mal ein… Aber das wissen Sie ja bestimmt selbst.“
„Ich weiß nichts, gar nichts“, stieß Lena da hervor, während sie hastig nach ihrem Mantel griff. „Und es geht mich auch nichts an. Meine Mutter ist erwachsen, sie kann tun, was sie will – nur soll sie mich mit Details verschonen… Ich muss jetzt gehen…“
Vonhoff half ihr schweigend in den Trenchcoat. Die Fürsorglichkeit, mit der er den obersten Knopf des Mantels sogar noch schloss, machte Lena verlegen. Ohne sie anzusehen, sagte er nachdenklich: „Wissen Sie, worin die eigentliche Tragik dieses Falles liegt? Dass Axel Lentz seinen Freund Metin gar nicht hätte umbringen müssen. An jenem Abend, als er mit dem Jungen den Streit wegen Bernhard Beer hatte, kam aus Haiti die Nachricht, dass Beer bei einem Vulkanausbruch ums Leben gekommen war. Das Problem hatte sich damit erledigt. Es ist nicht schwierig, sich vorzustellen, wie Axel Lentz sich gefühlt haben muss, als er nach Hause zurückkehrte und seine Frau ihn mit der Nachricht vom Tod ihres Vaters empfing.“
Lena hatte unwillkürlich den Atem angehalten. „Es war nicht nötig gewesen“, sagte sie irgendwann kaum hörbar. „Alles war gar nicht nötig gewesen.“
Vonhoff seufzte. „Danke für die Einladung zum Essen und passen Sie zukünftig gut auf sich auf“, war dann alles, was er ihr noch freundlich und sehr nachsichtig mit auf den Weg gab. Einen Moment lang tat sie ihm leid. Die Art, wie sie davon stürmte und sich im Laufen die Kapuze ihres Mantels über den Kopf zog, verriet mehr über sie als Worte es getan hätten.
22. Kapitel
I diotischer Einfall von Sofie, hatte Annelie unterwegs im Auto immerzu gezetert. Ausgerechnet vor dem Abflug nach Auckland will sie auf den Friedhof! Als ob es Bernhard jetzt noch interessiert, was seine Witwe tut!
Lena war auch nicht besonders fröhlich gestimmt. Einiges, was Oberkommissar Vonhoff – scheinbar so ganz nebenbei – gesagt hatte, konnte sie nicht einfach so abschütteln. Und Sofie nun auch noch auf dem Ohlsdorfer Friedhof abzuholen, war gewissermaßen das non plus ultra, das weder sie noch Annelie an diesem Tag brauchten.
Aber sie hielt sich mit ihrer Meinung zurück. Lena war seit der Sache mit Axel Lentz überhaupt ziemlich schweigsam geworden, fand Annelie manchmal, vermied jedoch neugierige Fragen.
„Fehlt nur noch, dass sie in Schwarz kommt“, machte sie stattdessen wieder einmal aus ihrem Herzen keine Mördergrube, während sie aus dem offenen Seitenfenster des Wagens den breiten Weg hinauf blickte, der vom Haupteingang zu den Gräbern führte.
„Annelie, geh und hol´ sie, notfalls mit Gewalt!“, entschied Lena da unerwartet energisch. „Wir dürfen nicht länger warten, sonst könnt ihr euren Flug zum Tennisfinale vergessen.“
Das brauchte man Annelie nur einmal zu sagen, denn prompt stürmte sie wie ein Sturmwind durch den Eingang auf den Friedhof.
Nein, Sofie trug nicht Schwarz. Annelies Sorge erwies sich als völlig unbegründet, denn das pinkfarbene Kleid, das Sofie für den Flug nach Auckland ausgesucht hatte, stach Annelie schon von weitem ins Auge. Und wenn sie darauf gefasst gewesen war, die Freundin von Herz zerreißendem Abschiedschmerz geschüttelt anzutreffen und vom Grab des verblichenen Bernhard erst losreißen zu müssen, irrte sie sich gründlich.
Sofie hatte beide Hände vor das Gesicht geschlagen, ihre mädchenhaften, schmalen Schultern bebten, aber nicht etwa, weil sie weinte. Annelie hielt unwillkürlich den Atem an, horchte dann auf, während ihr Schweiß auf die Stirn trat.
Was war das? Sofie lachte? Über wen oder was?
Die Erkenntnis traf Annelie, atemlos und derangiert wie sie war, wie ein Blitz: Sofie hatte es gewusst. Sie hatte immer alles gewusst.
Annelie hatte einen Moment lang das hässliche Gefühl, dass der Boden unter ihr in Bewegung geriet. Sekundenlang fürchtete sie, das Gleichgewicht zu verlieren, denn sie wankte, doch immerhin, sie fiel nicht. Allerdings musste sie einige Male kräftig schlucken, weil irgendetwas ihr die Kehle zuschnürte.
Dann jedoch machte sie ihren Rücken kerzengerade und schritt so auf Sofie zu - eben noch bereit, die arme Witwe tröstend zu stützen, jetzt selber hilflos angesichts der Erkenntnis, dass Sofie weder Trost noch Halt nötig hatte.
Sofie hörte sie kommen und streckte ihr eine Hand hin, ohne sich nach ihr umzudrehen. Jawohl, dies war der
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