Mordsschock (German Edition)
der er sich großzügig bediente. Anscheinend ernährte er sich lieber flüssig, weil seine Frau ihm gemeinsam mit Felix alles Feste wegfutterte. Lautlos und ohne ein Möbelstück zu berühren, balancierte er mit einem Glas in der Hand zu uns zurück, wobei seine biegsame Figur sämtliche Ecken und Kanten geschmeidig umging. Ich stellte mir den alten Herrn als Seiltänzer im Zirkus vor.
Er kam zur Sache, schob eine Porzellanelfe und einen vergoldeten Kerzenleuchter vom Tisch und breitete einen Aktenordner sowie zahlreiche Papiere vor mir aus. Immerhin wünschten die Krügers sich rund 3500 Quadratmeter Grundstücksfläche. „Wir träumen von ein bisschen mehr Platz.“ Stauraum für ihre Vasen und Porzellanfiguren?
„Sie wollten dort bauen?“
„Wir haben jahrelang gespart. Und nun möchten wir auf unsere alten Tage hin raus aus diesen beengten Verhältnissen.“
„Jetzt ist wieder nischt daraus geworden. Kleine Leute haben das Nachsehen. Und die Großen werden sich feudal einrichten“, mischte sich Frau Krüger grollend ins Gespräch.
„Lass mal, Mutti, es hilft ja nichts!“, tätschelte ihr Mann ihren wabbeligen Arm, was ihm ein Faucherchen des reizenden Felix einbrachte. „Das war’s!“ Er schwenkte die Absage der Verwaltung durch die Luft.
„Müssen wir Ihnen leider mitteilen ...“ Eine Absage. Zwei Wochen, bevor die Frist verstrichen war!
Mein Journalistenblut kochte. Wie ein Spürhund nahm ich die Witterung auf. Das roch nach Skandal! „Sie können gegen die Ablehnung klagen. Die Bewerbungszeit ist nicht vorbei.“
Herr Krüger winkte müde ab. „Unser Gebot war gut. Höher können wir nicht gehen. Anwälte kosten unnötiges Geld. Ich wette, dass die sauberen Herren das sowieso unter sich ausmachen!“
Mich überraschte seine Selbstsicherheit, mit der er den Verdacht äußerte. „Wissen Sie noch etwas?“
Herr Krüger schüttelte den Kopf. Er ließ die Papiere durch seine Finger gleiten.
Frau Krüger streichelte mit traurigem Blick ihren Felix, der mich aus seinen grünen Katzenaugen feindselig fixierte. „Dort am Fluss leben zu können, war mein Traum. Gott, man wird sich ja wohl auch mal was wünschen dürfen, wenn man sein Leben lang jeden Cent umgedreht hat! Wir werden nicht jünger. Von da wären es zu allen Läden oder zu den Ärzten wenige Minuten zu Fuß gewesen. Jetzt müssen wir überallhin mit dem Auto fahren.“
Nachdem ich hundert Mal versichert hatte, Krügers als Informanten aus allem herauszuhalten, gab er mir seine Unterlagen zum Kopieren mit. Ich konnte auch Frau Krüger nicht davon abbringen, mir ein Stück ihres trockenen Kuchens einzupacken.
Hier stank etwas kolossal! Und ich würde herausfinden, was es war!
Ich rief im Rathaus an und fragte naiv, warum die Bewerbungszeit für den Gottesanger vorzeitig beendet wäre. Ich erwischte nur unwissende Vorzimmerdamen, die mir überrascht versicherten, die Frist laufe weiter.
Stirnrunzelnd blätterte ich Krügers Unterlagen durch. Dort stand die Absage schwarz auf weiß!
Morgen war die Politparty bei Ken Winter. Ich beschloss, Augen und Ohren offen zu halten und dort das Thema bei passender Gelegenheit anzusprechen.
Kapitel 7
Ich stellte meinen Kleiderschrank auf den Kopf. Nichts Passendes! Für Rosenhagens konservative Politiker waren meine Klamotten zu schrill.
Piepsend kündigte mein Handy eine SMS an. Schlecht gelaunt, las ich sie, während ich weiter den Schrank durchwühlte. ‚Ist Rauchen im Schemilabor wircklich so schlim? Vic.‘
‚Elfjährige sollten überhaupt nicht rauchen, weder im Chemielabor noch sonst wo. Stattdessen müssen sie deutsche Grammatik pauken‘, schrieb ich ihr zurück. Ich hatte gehofft, dass Sophies korrektes Vorbild ein bisschen auf meine rotznäsige Schwester abfärben würde. Aber das war offensichtlich Fehlanzeige.
‚Bäh! Biest nicht besser als meine Lehrer‘, kam die Antwort prompt.
Ich holte ein langes, pink-metallic schimmerndes Kleid, nach unten geschlitzt und oben durch zwei dünne Spaghetti-Träger gehalten, hervor. Strikt auf Figur gearbeitet. Ich drehte und wendete mich vor dem Spiegel. Als Jugendliche war ich unglücklich über meine knabenhafte Figur gewesen. Eine Bohnenstange ohne jede weibliche Ausbuchtung. Nur Tante Carlottas Versprechen „Pass mal auf, Nina, wenn du zwanzig bist, wirst du bestimmt so dick sein wie ich!“ tröstete mich damals ein wenig. Oh, wie hatte ich darauf gehofft und war mit zwanzig heilfroh, als diese Prophezeiung nicht
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