Mordsschock (German Edition)
Gundula, die offensichtlich mit Prange zum Interview verabredet war, und entführte ihn mit flötender Stimme. Vermutlich fürchtete sie grundlos, ich würde ihn ihr wegschnappen.
„Sie sehen blass aus. Ich haben Ihnen einen Kakao gekocht, der ist nahrhaft und verleiht neue Kräfte.“ Die Riechling setzte einen Becher vor mir ab, auf dem eine fette Milchhaut schwamm, bei deren Anblick es mich schlimmer gruselte als vor dem hinter mir herjagenden Amischlitten.
Abends fuhr ich zu den Krügers. Diesmal ohne Voller. Den hatte Wagner zu einem anderen Termin geschickt. „Wenn man an einer interessanten Geschichte dran ist, hat man zu viele Verpflichtungen, um sie weiter zu verfolgen“, hatte Voller gemault.
Frau Krüger empfing mich herzlich wie eine alte Bekannte. „Kommen Se rein!“ Sie zupfte mich am Ärmel und zog mich in den Flur. Sie roch streng nach Tosca. Ohne Schürze kam ihr gewaltiger Busen richtig zur Geltung. Bei jeder Bewegung, die sie machte, wabbelten die Brüste in der engen beigefarbenen Bluse, die sie stramm am Rock festgezurrt hatte, aufgeregt hin und her. So fängt man Männer, dachte ich. Herr Krüger liebte ein weiches Polster: im Winter warm, im Sommer schattig!
Aus diesem Grund war vermutlich das ganze Haus mit Möbeln vollgestopft. Lücken und Luft zum Atmen blieben rar, über allem klebten Frau Krügers Tosca-Schwaden. Tellergroße Blätter einer wuchernden Zimmerpflanze verdunkelten die Fensterfront des Wohnzimmers. Dunkelgrüne Jäger-Tapeten rahmten dicht gedrängte Schränke sowie Vitrinen aus Nussbaum ein. Fehlte nur der röhrende Hirsch an der Wand. Stattdessen hing ein riesiges Landschaftsgemälde in Öl über einem Sekretär. Ein Fluss – vielleicht die Tale? –, der sich an einem Sommermorgen seinen Weg wie eine züngelnde Schlange an einem goldglänzenden Kornfeld entlang bahnte. Von der Decke baumelte ein gigantischer Kronleuchter mit unzähligen Ziertropfen und kitschigen Pailletten. Ein Perser- und ein Berberteppich rangen auf dem Boden um Vorherrschaft und Muster miteinander. Nicht mein Geschmack, diese Einrichtung, aber teuer.
Frau Krüger verfrachtete mich auf ein grün-gelb gemustertes Biedermeiersofa. Das gelang nicht, ohne dass ich vorher drei Mal über die diversen Beistelltischchen mit Nippes und Zierdeckchen stolperte. Bunte Vasen und Balletttänzerinnen aus Porzellan standen in einer angestrahlten Glasvitrine gegenüber. Sammlerstücke?
Ich zückte meinen Block und fragte pro forma: „Was macht Ihr Mann beruflich?“
„Er führt einen kleinen Laden. Zwei Straßen weiter. So ’ne Art Kiosk, wissen Se? Zeitschriften, Süßigkeiten, Getränke. Nischt Großes, läuft ganz gut.“ Sie schob mir eine Tasse Kaffee zu. Weißes Porzellan mit Goldrand. „Trinken Se erst mal! Erich kommt gleich nach Hause.“
Ich ergriff die Kaffeetasse.
In diesem Moment sprang mich irgendetwas Riesiges an. Das Etwas fiel von oben auf meine Schulter. Ich spürte einen stechenden Schmerz. Entsetzt kreischte ich los und verschüttete den Kaffee auf die Tischdecke.
Frau Krüger drohte nur schmunzelnd mit dem Zeigefinger. „Felix ist halt so liebebedürftig!“
Das Katzenvieh krallte sich an mir fest. Am liebsten hätte ich Felix abgeschüttelt und mit ungebremster Wucht auf den Fußboden geschleudert, aber dann wäre das mühsam aufgebaute Wohlwollen meiner Gastgeberin verspielt gewesen. Also, Gefühle verleugnen und gute Miene machen! Ich versuchte, die Schmerzen zu vergessen und nicht daran zu denken, welche Male die blöde Katze mir aus reiner Launenhaftigkeit zufügte. Wagner müsste mir Schmerzensgeld zahlen. Aber sicher würde Gundula uns wieder Storys auftischen, mit welchen reißenden Bestien sie sich in ihrer glänzenden Karriere um einer guten Geschichte willen herumgeschlagen hatte. Außerdem stand heute Morgen in meinem Horoskop: Denken Sie daran, wie prima der selbsterarbeitete Erfolg schmeckt! Ich würde weder Qualen oder Mühen scheuen, um diesen Erfolg auf meiner Zunge bald zergehen lassen zu können!
„Komm zu Mama!“, schnurrte Frau Krüger und lockte ihren Liebling mit pappigem Sandkuchen.
Felix schmiegte sich prompt an ihren molligen Busen.
Vollers Schleimspur zeigte auch bei Herrn Krüger, der kurz darauf nach Hause kam, eine lange Nachwirkung. Die barsche Telefonstimme hatte er vollkommen abgelegt. Mühelos schlängelte er sich zwischen den Möbeln durch. Drahtig und wendig wie ein Aal schlüpfte er zur Kommode und angelte nach einer Kognakkaraffe, aus
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