Mordstheater
Klientenliste vertraut zu machen.
Brown und Brown war eine alteingesessene
Theateragentur, die von Agatha und ihrer Schwester Dorothy in den späten
fünfziger Jahren gegründet worden war. Es war die erste Agentur, die Klienten
aus allen Bereichen des Theaters führte — Regisseure, Schauspieler, Autoren und
später auch Bühnenbildner. Ich fragte Janet, die andere Sekretärin, mit der ich
mir den Flur teilte, was aus Dorothy geworden war, aber sie warf mir einen
warnenden Blick zu und flüsterte, sie würde es mir in der Mittagspause
erzählen.
Wir nahmen unsere Sandwiches mit zu einer Bank
am Soho Square. Es war ein schöner Septembertag. Während wir kauten, erklärte
sie, daß es klüger sei, die andere Miss Brown nicht im Büro zu erwähnen. Sie
hatte gehört, es habe Vorjahren schweren Krach wegen einer doppelten Buchung
gegeben und Dorothy sei rausgeflogen. Sie hatte hinterher einen von Agathas
Klienten geheiratet, und die Kluft war nie überbrückt worden. Agatha hatte den
Buchhalter, der Anthony — nie Tony, warnte sie — White hieß, zu ihrem
Geschäftspartner gemacht. Laut Janet hatte Agatha ihn total unter ihrer
Fuchtel. Obwohl er jetzt einer der Chefs des Unternehmens war, lehnte Agatha es
ab, den Namen zu ändern (nicht verwunderlich, dachte ich, da es dann Brown und
White hieße, was ein bißchen albern klang), und war sehr schäbig, wenn es darum
ging, ob er Anteile kaufen durfte. Ich fragte mich, wie Janet Zugang zu derlei
Informationen hatte. So, wie sie über Anthony sprach, dachte ich mir, daß ihre
Beziehung zu ihm vielleicht enger war als die einer bloßen Sekretärin. Sie fing
an, seine Klienten zu beschreiben, von denen sie sagte, sie brächten mehr Geld
als Agathas, auch wenn sie weniger Snobwert hätten. Ich fragte, warum er nicht
ausstieg und seine eigene Agentur aufmachte, wenn es ihm so schlecht erginge. Janet
schniefte nur und sagte, daß Agatha eine sehr mächtige Frau sei.
Ich bemerkte, daß ich sie an diesem Morgen
ziemlich genießbar und freimütig gefunden hatte.
»Aber du bist keine Bedrohung, verstehst du«,
sagte Janet. »Es ist ein Alptraum, mit ihr fertig zu werden, sie ist ein echter
Drachen nach altem Muster. Ich vermute«, fügte sie hinzu, »daß sie deswegen so
gut in ihrem Job ist. Sie ist völlig unfähig, was menschliche Gefühle
anbelangt. Die einzigen Dinge, die sie liebt, sind ihre Arbeit und ihre Katze.«
Ich erkundigte mich nach Vivienne, der Frau,
deren Job ich hatte.
»Arme Viv. Sie mußte die Agentur zwei Jahre über
sich ergehen lassen. Sie war gerade dabei, sich nach einem anderen Job
umzusehen, als sie entdeckte, daß sie schwanger war. Es wäre dumm gewesen, sich
nicht den Mutterschaftsurlaub bezahlen zu lassen, und so entschloß sie sich zu
bleiben. Ich muß zugeben, daß Agatha sich gut in Rechtsfragen auskennt, aber
sie ist stinkwütend auf Viv. Eifersucht, glaube ich. Sie hat ihr Leben der
Arbeit verschrieben und mit dem Kinderkriegen ist es längst vorbei. Sie sagte,
sie könne sich nicht vorstellen, warum Viv noch ein hilfloses Wesen mehr in
diese schreckliche Welt setzen wolle — so hat sie es ausgedrückt — , aber Viv
und ich denken, daß sie nicht so angetan von dieser Katze wäre, wenn sie
überhaupt keine mütterlichen Instinkte hätte.«
Ich empfand merkwürdige Stiche des Mitgefühls
für Miss Brown, die so spontan ihre Sympathie für mich bekundet hatte, als ich
nervös hereingekommen war, entschied aber, jegliches Urteil auf später zu
verschieben. Ich wollte bei Brown und Brown weder irgendjemanden mögen noch
nicht mögen. Es war schließlich nur ein Job, um über die Runden zu kommen, bis
ich entschieden hatte, was ich wirklich machen wollte.
An jenem Nachmittag war ich sehr beschäftigt,
meistens am Telefon, mit Anfragen von Werbeagenturen zur Verfügbarkeit von
Schauspielern. Ich entdeckte, daß es in jeder Akte einen handkolorierten
Kalender gab, der ihre Engagements akribisch genau vorausplante, in einem komplizierten
Farbsystem für gebucht, provisorisch gebucht und verschiedene Abstufungen von
Pausieren. Ich schlug mich damit herum, ein paar Rechnungen zu tippen, und
scheuchte ein bekanntes Theater im West End wegen überfälliger Tantiemen auf.
Viel Zeit wurde damit zugebracht, Kannen mit Kräutertee von der Küche zu meiner
Arbeitgeberin zu befördern.
Ich habe nach meiner Kindheit, in der Kräutertee
Pflicht war, nur noch geringes Interesse daran gehabt. Mein Vater weigerte
sich, koffeinhaltige Produkte in unser
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