Mordstheater
der
an jeder weniger schlanken Frau eine Katastrophe gewesen wäre, sie aber,
besonders im Kontrast zu den eintönig schwarzgekleideten Studenten und den
anderen Müttern in ihren voluminösen Schlabberkleidern, so frisch aussehen ließ
wie die Gänseblümchen, die sie kunstvoll an ihren weißen Strohhut gesteckt
hatte. Nachdem sie ein paar Gläser Pimm’s getrunken hatte, verschwand ihre
scheue Nervosität, und sie wurde überredet, mit in einen Stakkahn zu steigen,
wo sie sich für den Rest des Tages ausruhte; es störte sie offenbar nicht, daß
sie ziemlich viel Bein zeigte, und sie stellte gelegentlich eine anspruchslose
Frage zur Geschichte von Cambridge, was mich vor Scham zusammenfahren ließ,
aber die anwesenden Männer zu betören schien.
Seit Cambridge hat es mit keinem so lang
gehalten, daß ich ihn mit nach Hause genommen hätte, außer mit Jerry, und, na
ja, das war unmöglich. So kommt es, daß Martin der einzige Mann ist, mit dem
meine Mutter mich regelmäßig zu sehen bekommen hat, und immer, wenn ich ihr
sage, daß nichts zwischen uns ist, lächelt sie nur wissend, was mich ärgert bis
zum Geht nicht mehr.
Meine Freunde sind immer überrascht, wenn sie
meine Mutter treffen, weil sie und ich so verschieden sind. Es ist nicht so
sehr unser Aussehen — wir haben beide blondes Haar und blaue Augen, und obwohl
ich nicht mit ihrer Schönheit mithalten kann, bin ich eine ziemlich
abgeschwächte Version von ihr — , aber unsere Persönlichkeiten sind vollkommen
gegensätzlich. Sie ist sanft und gelassen und ohne jede Phantasie. Ich bin, was
in romantischen Büchern gern impulsiv genannt wird und was meine Mutter gern
schwierig nennt. Ich bin sehr selten beständig und oft gereizt und eigensinnig.
Deswegen ziehen Leute, die meine Mutter kennenlernen, sie mir im allgemeinen
vor. Das ist mir mein ganzes Leben lang passiert, also bin ich daran gewöhnt,
aber in diesem Moment hätte ich Martin, der immerhin mein Freund war, am
liebsten geschlagen für seinen verträumten Gesichtsausdruck, als er über diese beiden
Ikonen der Weiblichkeit nachsann, meine Mutter und die Stewardeß. Ich
entschied, daß wir den Abend besser beenden sollten.
Ich hatte meine Wohnung über einen Monat nicht mehr gesehen, und
es hatte ganz den Anschein, ich würde sie auch in dieser Nacht nicht sehen, da
das Licht im Hausflur nicht funktionierte, und ich vermutete, daß uns der Strom
abgestellt worden war. Ich besitze eine Wohnung im obersten Stock über einem
Waschsalon, in einer Häuserreihe mit Geschäften in Primrose Hill.
Ein paar Jahre, bevor ich einzog, war Feuer
ausgebrochen und hatte das Gebäude völlig ausgebrannt. Die Leute, die den
Waschsalon betrieben, kauften das Haus mit der Absicht, alles instand zu setzen
und die drei oberen Wohnungen zu verkaufen. Zu meinem Glück deckten sie das
Dach neu und polierten das oberste Stockwerk auf, aber sie hatten den
Wäscheservice überschätzt, den sie bewältigen konnten, und ihnen ging das Geld
aus. Die beiden Etagen unter mir sind baufällig geblieben, und die Nacht über
wackelt das ganze Haus, während im Erdgeschoß eine Ladung Wäsche nach der anderen
gewaschen wird. Manchmal träume ich, mein Fußboden bricht durch, und ich sinke
sanft hinunter auf Straßenebene und werde zum Schluß unten im Trockner
herumgewirbelt. Natürlich hatte ich die Wohnung begutachten lassen, als ich sie
kaufte, und mein Gutachter riet mir nachdrücklich vom Kauf ab. Aber
andererseits war das Reg, der langjährige Freund meiner Mutter, und ich dachte,
er sei unnötig vorsichtig, wie üblich. Also trieb ich die Sache voran, weil mir
das Haus gefiel, und ich habe es nicht bereut. Nicht sehr.
Ich watete durch die gesammelten
Postwurfsendungen von vier Wochen und ertastete mir den Weg die drei Treppen
hoch zu meiner Tür. Nachdem ich Ewigkeiten mit den Schlüsseln herumhantiert
hatte, langte ich nach dem Schalter innen, und wie durch ein Wunder gingen die
Lichter in meiner Wohnung an. Mir wurde klar, daß ich zwar seit einiger Zeit
nicht mehr mit Costas über die gemeinschaftlichen Kosten gesprochen hatte, aber
ich hatte meine eigenen Rechnungen pünktlich bezahlt und war belohnt worden. Wie
Reg betont hatte, war die Wohnung als Investition lächerlich, weil sie nur sehr
wenige Leute würden haben wollen, falls ich sie verkaufen wollte. Sie besteht
aus einem großen Zimmer mit der Küche dahinter, einem kleineren Schlafzimmer
und einem sehr häßlichen Bad. Aber ich konnte ihr nicht
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